: Win-win-Situation
Ökobecher „Mein Becher für Berlin“: Die S-Bahn verkauft einen recycelbaren Mehrweg- kaffeebecher. Von einem Teil der Einnahmen werden Bäume in der Stadt gepflanzt
von Daryna Sterina
„Die durchschnittliche Lebensdauer eines Coffee-to-go-Bechers beträgt nur 15 Minuten,“ sagt Angelika Simon. Die Marketingleiterin der S-Bahn hatte deshalb die Idee, in Zusammenarbeit mit der Supermarktkette Bio Company und den Öko-Wochenmärkten von Marktzeit, einen wiederverwendbaren Kaffeebecher zu entwickeln. Unter dem Motto „Mein Becher für Berlin“ wurden Mitte Juli 1.000 dieser Ökobecher an Fahrgäste am S-Bahnhof Ostkreuz verschenkt. Ansonsten sind sie für 9 Euro an allen Verkaufsstellen der S-Bahn und den Filialen der beteiligten Unternehmen erhältlich.
Unklar ist allerdings, warum keine Firmen als Partner ins Boot geholt wurden, die auf den S-Bahnhöfen Kaffee zum mitnehmen verkaufen. Schließlich wäre dies der naheliegende Ort, einen solchen Ökobecher anzubieten. Ingo Priegnitz, Pressesprecher der S-Bahn, sagt dazu: „Wir haben uns als drei Partnerunternehmen vorgenommen, diese Idee umzusetzen. Jedes andere Unternehmen ist herzlich eingeladen mitzumachen, aber sich aktiv weitere Partner zu suchen, übersteigt unsere Kapazitäten.“
Ziel der Aktion ist es, den Einwegmüll zu vermeiden. „Der mehrfach benutzbare Kaffeebehälter besteht aus Bambusholz, ist spülmaschinenfest und kann auf dem Komposthaufen entsorgt werden,“ erklärt Angelika Simon. Nur die Silikonhülle, die vor Verbrennungen schützen soll, und der Deckel sind aus recycelbarem Silikon.
Die Entsorgung auf dem Komposthaufen ist jedoch problematisch. Thomas Fischer, der Leiter des Bereichs Kreislaufwirtschaft der Deutschen Umwelthilfe (DUH), rät davon ab, die Becher zu kompostieren. „Der braucht mindestens zwölf Wochen, bis er zu 90 Prozent abgebaut ist, und wird, wenn er in die braune Tonne geschmissen wird, generell aussortiert, weil das Material zu dick ist und die Stoffzusammensetzung nicht überprüft wird.“ Besser sei, die Becher komplett zu recyceln.
Dennoch findet Fischer die Aktion gelungen. „Den Kunden einen Rabatt mit dem Kauf eines Mehrwegbechers anzubieten zeigt, dass die Unternehmen es ernst meinen.“ Wer den Mehrwegbecher benutzt, bekommt 10–20 Cent Rabatt auf den Kaffee. Außerdem wird die Kampagne „Stadtbäume für Berlin“ mit 2 Euro von jedem gekauften Becher unterstützt.
Täglich 460.000 Coffee to go
Die S-Bahn hat einen Testlauf von einem Jahr beschlossen. Sollte die Aktion erfolgreich sein, werden die Mehrfachbehälter weiter produziert. Um ihren Kaffeebecher bekannt zu machen, hat die S-Bahn einen Blog eingerichtet, auf dem angeblich eine echte Familie den Becher testet und sich Fragen der Nachhaltigkeit widmet.
Mutter Mia Schreiber schrieb den ersten Blogeintrag: „Der Kaffee für unterwegs ist ein Berliner Thema, denn in der Hauptstadt gehen täglich rund 460.000 Coffee to go über die Ladentheke, die meisten in Einweg-Pappbechern.“ Laut DUH werden pro Jahr allein in Berlin 170 Millionen Coffee-to-go-Becher verbraucht. Im Blog steht, dass pro Jahr 43.000 Bäume gefällt werden, um die Coffee-to-go-Becher herzustellen, die Deutschland im Jahr verbraucht.
Die kurzlebigen Becher tragen zu einem großen Teil zur Umweltverschmutzung und Müllanhäufung bei. Stündlich werden nach Informationen des DUH deutschlandweit320.000 Einwegbecher verbraucht. Das macht rund drei Milliarden Becher im Jahr. Laut DUH bestehen diese überwiegend aus Papierfasern, für deren Herstellung in aller Regel Neumaterial eingesetzt wird. Es werden praktisch keine Recyclingpapierfasern genutzt, sodass für die Herstellung der Pappbecher neue Bäume gefällt werden müssen.
Was ist mit der Hygiene?
Und weil die To-go-Becher nicht nur aus Pappe, sondern anteilig auch aus Kunststoff bestehen, wird auch Rohöl zur Produktion benötigt. Schon im Februar forderten deshalb alle Fraktionen im Abgeordnetenhaus den Handel auf, ein Mehrwegsystem für Trinkbecher einzurichten.
Seit Mitte Juli gibt es den mehrfach verwendbaren Kaffeebecher; er kann an allen S-Bahn-Verkaufsstellen, in Supermärkten der Bio Company und auf den Wochenmärkten von Marktzeit gekauft werden.
Der Ökobecher kostet 9 Euro, davon gehen 2 Euro an die Initiative „Bäume für Berlin gespendet“. Ab eingenommenen 500 Euro pflanzt die Initiative einen Baum. (ds)
Fraglich bei der Benutzung von Mehrwegbechern sind einzig die Hygienevoraussetzungen. Woher weiß der Verkäufer des Kaffees, ob der Becher sauber ist? Und wer haftet, wenn jemand durch eine eventuelle Verunreinigung eine Magenverstimmung erleidet?
Brigitta Voigt, die Sprecherin der Marktzeit-Ökowochenmärkte, hat da keine Bedenken. „Unsere Tassen auf den Märkten werden vor Ort immer ausgewaschen, genauso kann man auch die Mehrwegbecher spülen, sollten diese schmutzig mitgebracht werden“ – es sei das gleiche Prinzip. Unproblematisch sehen das auch die Hygieneämter und andere Coffee-to-go-Anbieter, wie eine Umfrage der DUH ergab.
Wiederbefüllung ist auch von der Lebensmittelhygieneverordnung nicht verboten. Der Verkäufer ist lediglich dazu aufgefordert, durch eine Sichtkontrolle den mitgebrachten Becher auf Sauberkeit zu kontrollieren und darf beim Befüllen den Becher nicht mit dem Abfüllstutzen berühren. Bei den meisten Kaffeemaschinen ist dieser verstellbar.
Schon zwei Bäume
Eine Win-win-Situation: Seit Verkaufsstart der Ökobecher wurden bislang 500 Becher verkauft, berichtet S-Bahn-Sprecher Priegnitz. Von den dadurch eingenommenen Spenden wurden bereits zwei Bäume bezahlt. „Stadtbäume für Berlin“ pflanzt ab 500 Euro einen neuen Baum.
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