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Erdoğan lässt Journalisten verhaften

Türkei Bisher 42 Haftbefehle und 5 Festnahmen. Sozialdemokratisch-kemalistische Opposition demonstriert

Aus Istanbul Jürgen Gottschlich

In der Türkei werden nun auch einzelne Journalisten verhaftet. Wie die Istanbuler Staatsanwaltschaft mitteilte, wurden am Montagmorgen Haftbefehle gegen 42 Medienschaffende ausgestellt, die Beziehungen zur Gülen-Bewegung haben sollen.

Die bekannteste unter ihnen ist die „Grand Dame“ der na­tio­nalistischen Rechten, Nazlı Ilıcak, die sich zuletzt Gülen-nahen Publikationen zugewandt hatte, nachdem sie 2013 von der regierungsnahen Sabah gefeuert worden war, weil sie nach einem Korruptionsskandal den Rücktritt von Ministern gefordert hatte. In ihrer Istanbuler Villa wurde Ilıcak nicht angetroffen. Eine Fahndung rund um ihr Feriendomizil in Bodrum brachte auch kein Ergebnis.

Ein weiterer nun gesuchter Journalist ist Bülent Mumay, bis Herbst letzten Jahres Chef der Onlineredaktion von Hürriyet und seitdem als zu regierungskritisch beurlaubt. Er betonte gestern über Twitter, die einzige Organisation, der er angehöre, sei der türkische Journalistenverband. Er kündigte an, zur Staatsanwaltschaft zu gehen um die Vorwürfe aufzuklären.

Fünf weitere Journalisten wurden bereits verhaftet, elf sollen außer Landes sein, nach den anderen wird gefahndet – da­runter Erkan Acar, Erkan Akkuş und Hanım Büşra Erdal, die alle führende Positionen in früheren Gülen-Publikationen innehatten. Zudem wurden auch etliche Professoren der Staatsanwaltschaft vorgeführt, die als Gülen-nah gelten, weil sie an Universitäten unterrichtet hatten, die letzte Woche unter dem Vorwurf geschlossen wurden, sie gehörten zu Gülen. Außerdem kündigte Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu an, auch Mitarbeiter des diplomatischen Dienstes würden nun auf Gülen-Nähe überprüft.

Am Nachmittag traf sich unterdessen Präsident Erdoğan mit den Parteivorsitzenden der Opposition, um über ein gemeinsames Vorgehen zu beraten. Nicht dabei war die kurdisch-linke HDP, deren beide Vorsitzende sich wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in der terroristischen PKK vor Gericht verantworten sollen.

Die neue Nähe zwischen Erdoğan und dem sozialdemokratisch-kemalistischen Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu hatte sich schon am Sonntag angedeutet, als der Präsident eine große CHP-Demonstration auf dem Istanbuler Taksim-Platz genehmigte. Es war das erste Mal seit dem Gezi-Aufstand im Sommer 2013, dass die Opposition wieder dort demonstrieren durfte. „Schließlich haben wir“, rief Kılıçdaroğlu, „im Parlament alle gemeinsam in der Nacht vom 15. auf den 16. Juli unsere Demokratie gerettet.“ Doch die Schlussfolgerung daraus ist für die CHP eine andere als für Erdoğan: „Die parlamentarische Demokratie muss gestärkt werden und darf nicht durch ein autoritäres Präsidialsystem ersetzt werden.“

Obwohl es im Vorfeld der Demonstration Gerüchte über Provokationen oder gar Bombenattentate gegeben hatte, ließen sich die Leute nicht abhalten, auf den Taksim-Platz zu strömen. „Es tut gut, zu sehen, dass man nicht allein ist“, sagte eine ältere Frau. „Wir machen uns gegenseitig Hoffnung, dass aus den schlimmen Ereignissen vor zehn Tagen vielleicht doch noch etwas Gutes entstehen könnte.“

Verhaftete dürfen nun statt 48 Stunden 30 Tage in Polizeihaft gehalten werden

Die HDP hatte bereits am Samstagnachmittag in einem Vorort von Istanbul eine ebenfalls genehmigte Demonstration abgehalten, während der Kovorsitzende der Partei, Selahattin Demirtaş, den Ausnahezustand scharf verurteilte. Insbesondere die Regelung, dass Verhaftete nun statt 48 Stunden 30 Tage in Polizeihaft gehalten werden dürfen, ohne einem Haftrichter vorgeführt werden zu müssen, sei „geradezu eine Einladung zur Folter“.

Diese Befürchtung erwies sich bereits gestern laut Amnesty International als berechtigt. „Uns liegen glaubwürdige Zeugenaussagen vor, dass angebliche Putschisten in Untersuchungshaft gefoltert wurden“, gab die Organisation bekannt. Als Reaktion auf den Bericht forderte die Bundesregierung, unabhängige Beobachter in die Türkei zu entsenden.

Interview mit Bülent ­Mumay auf taz.de

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