Hausprojekt Rigaer94 in Berlin: Polizei macht, was sie will
Im Innenausschuss verteidigt Senator Henkel den Einsatz. Ein Polizeijustiziar erklärt, dass er den Hausverwalter der Rigaer94 beraten hat.
taz | Trotz des rechtswidrigen Polizeieinsatzes in der Rigaer Straße bleibt Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) weiter im Amt. Bei einer Sondersitzung des Innenausschusses am Donnerstag rückte der Koalitionspartner SPD aber weit von Henkel ab. Die Begründung, die er und die Polizeiführung für den Einsatz vorgelegt hätten, „reichen nicht“, befand Frank Zimmermann, innenpolitischer Sprecher der SPD.
Der Polizeieinsatz in der Rigaer Straße hatte vom 22. Juni bis 13. Juli gedauert. Bei der Sondersitzung am Donnerstag verteidigten Henkel und sein Staatssekretär das Vorgehen wie gehabt: Der Polizeieinsatz in dem autonomen Wohnprojekt sei keine Räumung gewesen. Deshalb sei auch kein Räumungstitel erforderlich gewesen.
Die Polizei sei im Rahmen der Gefahrenabwehr tätig geworden, um die Bauarbeiter zu schützen, die im Auftrag der Hausverwaltung tätig werden sollten. Es habe berechtigen Anlass zur Sorge um die Unversehrtheit der Bauleute gegeben. Von manchen Bewohnern des Hauses gehe seit Längerem Gewalt aus. In der Vergangenheit habe es auch immer wieder Angriffe auf Polizisten gegeben.
SPD, Grüne, Linkspartei und Piraten sind wie das Landgericht der Meinung, dass der Hauseigentümer einen Gerichtsbescheid gebraucht hätte, um die Räume – gegebenenfalls auch mit Polizeiunterstützung – wieder in Besitz zu nehmen. In der Sitzung hatten die Oppositionsparteien einen langen Fragenkatalog vorgelegt. Die Diskussion fokussierte sich zunehmend auf die Aufgabenteilung zwischen Innensenator und Polizeiführung.
Henkel erklärte nun in der Sondersitzung, erst am Abend des 21. Juni von Polizeipräsident Klaus Kandt über die geplante Maßnahme informiert worden zu sein. „Der Einsatz war richtig, selbst wenn ich ihn nicht entschieden habe“, so Henkel.
Frank Henkel
Die These des innenpolitischen Sprechers der Piratenfraktion, Christopher Lauer, ist: Die Polizei habe sich die Grundlage für den Einsatz selbst konstruiert. Lauer hatte am Vortag der Sondersitzung ebenso wie andere Abgeordnete die Polizeiakten zum Vorgang Rigaer Straße studiert. Aufgefallen sei ihm dabei, dass die Polizei seit dem ersten Großeinsatz im Januar 2016 großes Interesse an einer neuerlichen Begehung des Hauses Riager94 gezeigt habe. In der Korrespondenz sei es immer wieder um fehlenden Brandschutz in dem Haus gegangen. „Die Polizei hatte ein massives Eigeninteresse.“
Bestärkt in seiner Vermutung sah sich Lauer am Donnerstag durch den Bericht von Polizeijustiziar Oliver Tölle. Am 20. Mai hatte sich Tölle eigenen Angaben zufolge mit dem Hausverwalter der Rigaer94 getroffen und ihm erklärt, ob und wie Polizei zum Schutz der Bauarbeiten im Haus tätig werden könnten. Eine weitere Prüfung, ob der Eigentümer überhaupt Zugriff auf die Räume nehmen kann, habe er nicht angestellt. Das sei auch nicht nötig gewesen, so Tölle: „Es gab kein verfestigtes Besitzrecht.“ Das schriftliche Ersuchen des Hausverwalters zum Schutz der Maßnahmen erreichte die Polizei laut Tölle dann am 31. Mai.
„Die Polizei in Berlin hat sich vollständig verselbstständigt“, so Lauers Fazit.
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