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„Das Ereignis sachlich bewerten“

DEESKALATION Sind junge Asylbewerber besonders empfänglich für islamistische Parolen? Geht von ihnen eine besondere Gefahr aus? Niedersachsens Sozialministerin warnt vor voreiligen Schlüssen

Hinweise auf eine islamistische Radikalisierung hat es in Niedersachsen bisher nur bei wenigen unbegleiteten Flüchtlingen gegeben. Der landesweit tätigen Beratungsstelle gegen ein Abgleiten junger Leute in den Islamismus wurden bislang vier Fälle gemeldet, bei denen es einen begründeten Verdacht gab. Nach Angaben des Sozialministeriums in Hannover bestätigte sich dieser Verdacht bei zwei Flüchtlingen, die ohne ihre Eltern eingereist waren: In beiden Fällen seien die Ermittlungsbehörden eingeschaltet worden.

Die niedersächsischen Jugendämter kümmern sich derzeit um 5.311 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. 2014 mussten nur knapp 600 Unter-18-Jährige, die allein eingereist waren, betreut werden.

Die niedersächsische Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD) warnte gestern davor, aus dem Terrorangriff von Würzburg voreilige Schlüsse zu ziehen. „Wir sind wir gut beraten, das Ereignis sachlich zu bewerten.“ Es gehe um junge Menschen, die sich ohne Eltern, ohne Freunde in einer völlig fremden Welt zurecht finden müssen.

Ein 17-Jähriger hatte am Montag in einem Regionalzug bei Würzburg Mitreisende mit Axt und Messer teils lebensgefährlich verletzt. Er war als unbegleiteter Flüchtling nach Deutschland gekommen und bezeichnete sich in einem Video selbst als Kämpfer der Terrormiliz „Islamischer Staat“. Wirksam gegen „Radikalisierungstendenzen“, sagte Rundt weiter, sei eine „gute Perspektive auf ein Leben in gleichberechtigter Teilhabe, auf Wohnung, Arbeit und Partnerschaft“.

Der Osnabrücker Islamexperte Michael Kiefer forderte bessere Präventionsarbeit und mehr „gut geschultes pädagogisches Personal, das in der Lage ist frühzeitig Radikalisierung zu erkennen“. Solche Tendenzen würden häufig zu spät gemeldet, sagte der Wissenschaftler vom Institut für Islamische Theologie der Universität. (dpa)

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