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Zwischen Einsicht und Entsetzen

Dokumentarfilm „Censored Voices“ konfrontiert Veteranen des Sechstagekriegs, wie den israelischen Schriftsteller Amos Oz, mit den eigenen Gedanken zum Einsatz von 1967

Amos Oz lauscht seiner Stimme von 1967 Foto: Real Fiction

Sommer 1967: In den ersten Tagen nach Ende des Sechstagekriegs führt eine Gruppe junger Israelis Gespräche mit Soldaten, die wie sie selbst soeben aus dem Krieg zurückgekommen sind. Initiiert wurden die Gespräche hauptsächlich von dem Historiker Avraham Shapira und dem Schriftsteller Amos Oz. Die Gespräche drehen sich um die Empfindungen der Soldaten im Krieg, der in der israelischen Geschichte beinahe so etwas wie eine zweite Staatsgründung markiert.

Die Erzählungen der Soldaten setzen sich deutlich vom Jubel und der allgemeinen öffentlichen Heroisierung der militärischen Leistung der israelischen Armee ab. Hörbar mitgenommen handeln die Berichte von den Zweifeln der Soldaten, ihrer durchgängig stummen Empörung über Kriegsverbrechen während des Kriegs und dem Zweifel am Sinn der Eroberungen der Sinai-Halbinsel, des Gazastreifens, der Golanhöhen, des Westjordanlands und vor allem Ostjerusalems. Fast alle der Befragten sind so kurz nach dem Krieg zerrissen zwischen der Einsicht in die Notwendigkeit der Selbstverteidigung Israels und dem Entsetzen über das Erlebte.

Der siebte Tag

Der Historiker Avraham Shapira kompilierte aus den etwa 200 Stunden Tonbandaufzeichnungen der Gespräche ein Buch mit dem Titel „Der siebte Tag“, im Englischen 1971 erstveröffentlicht. Anders als oft behauptet, wurden bei der Veröffentlichung, wie Martin Kramer im Mosaic Magazinezeigen konnte, keineswegs 70 Prozent der Aussagen zensiert. Das Buch wurde zunächst privat gedruckt und in einer internen Edition in den Kibbuzim verteilt. Als es größere Kreise zog, wurde der Zensor einbezogen, der zunächst in der Tat große Streichungen forderte.

Nachdem sich Shapira und sein Mitstreiter, der Schriftsteller Amos Oz, jedoch an Mordechai Bar-On, den obersten Ausbildungsoffizier der israelischen Armee wandten, wurden die Streichungen deutlich weniger. Shapira und Oz widersetzten sich den Streichungen und konnten viele Passagen retten.

Fast 40 Jahre später bilden Tonbandaufzeichnungen der Gespräche das Zentrum des Dokumentarfilms „Censored Voices“ der israelischen Regisseurin Mor Loushy. „Censored Voices“ kombiniert Aufnahmen von der Wiederbegegnung der damals Interviewten mit den Tonbandaufzeichnungen sowie einigen Kartenaufnahmen und Rohmaterial, das der 2011 verstorbene ABC-Korrespondent Bob Young hinterlassen hat. Die Karten und das Material von Bob Young geben einen Überblick über das historische Geschehen und schlagen Verbindungen zu angrenzenden Themen. So handelt der letzte Bericht Bob Youngs, den der Film zeigt, von einem Flüchtlingslager für vertriebene Palästinenser in Jordanien.

Auch Oz wurde zu seinen Erfahrungen im Krieg befragt. Im Film hört er die Tonbänder mit den Aufzeichnungen der Gespräche nach all den Jahren erstmals wieder. Durch den einfachen Trick, die Befragten beim Zuhören zu filmen, macht Mor Loushy ihren Film gleichermaßen zu einer rückblickenden Aufarbeitung der Kriegserfahrungen von Soldaten der israelischen Armee jenseits der Heroisierung und zu einer Bestandsaufnahme der Entwicklung des Landes in den Jahren seither.

„Censored Voices“ ist eigentlich eine klassische Fernsehdokumentation geworden. Die Kombination der verschiedenen Elemente gerät Mor Loushy allzu routiniert; das weitgehend schwarz-weiße Archivmaterial kommt über eine illustrative Funktion und die Markierung des Historischen nicht hinaus. Das Bob-Young-Material wirkt eher zufällig oder aufgrund der verfügbaren Lizenzen gewählt, angesichts des zeitlichen Abstands hätten Ausschnitte aus israelischen Wochenschauen oder Nachrichtensendungen dem Film gutgetan.

Israelische Soldaten 1967 Foto: Real Fiction

Sieht man von den Einschränkungen durch die Zensur ab – die jedoch weitaus weniger gravierend sind als vorgegeben –, ist „Censored Voices“ dennoch sehenswert. Ob man den Film jedoch im Kino sieht oder auf die Ausstrahlung bei den deutschen Koproduktionspartnern, dem rbb und Arte, wartet, bleibt jedem selbst überlassen.

Fabian Tietke

„Censored Voices“. Regie: Mor Loushy. Israel/Großbritannien/Deutschland 2015, 87 Min.

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