: Hassprediger zu 20 Jahren Haft verurteilt
Österreich Mirsad O. soll Männer für den Dschihad in Syrien angeworben haben
Der Prozess war wie ein Thriller inszeniert. Die Geschworenen brauchten mehrere Stunden, bis sie sich nach Mitternacht auf einen Schuldspruch einigten. Noch am Nachmittag war der Sitzungssaal geräumt worden. Die Polizei hatte Hinweise erhalten, dass sich gefährliche Dschihadisten unter den Zuschauern befanden. Erst nach einer zusätzlichen Sicherheitskontrolle durfte das Publikum wieder in den Saal.
Dass der Verurteilte ein Anhänger des radikalen Salafismus ist, hat er selbst nie bestritten. Mit seinem Pseudonym Ebu Tejma beruft er sich auf einen mittelalterlichen Vordenker des modernen Dschihadismus. Mirsad O. galt in der Wiener Dschihadistenszene als eine Art Popstar, dessen Strahlkraft auch in Deutschland wahrgenommen wurde. Er verfügte über einen eigenen YouTube-Kanal, der bei jungen Muslimen seine Wirkung nicht verfehlte. Der Staatsanwalt sprach von Gehirnwäsche.
Tatsache ist auch, dass viele seiner Jünger ins Kalifat aufbrachen und dort verschwanden. Geschwister und Freunde der Gotteskrieger schilderten im Zeugenstand die Veränderung der jungen Männer, die plötzlich ihre Berufung darin sahen, ihr Leben für den Dschihad zu riskieren. Der Angeklagte selbst konnte sich nicht erklären, warum so viele seiner Anhänger diesen Weg gewählt haben.
Die Urteile basieren rein auf Indizien. Darunter ein Gutachten des deutschen Sachverständigen für Islamismus und Terrorismus, Guido Steinberg, der Videos und Tonaufzeichnungen von Reden des Mirsad O. analysiert hat. „Er wirbt für den bewaffneten Kampf in Syrien und Tschetschenien“, sagte er. Ebu Tejma würde „die individuelle Pflicht zum bewaffneten Kampf befürworten“. In seiner Wohnung wurde die schwarze Fahne des IS mit dem Propheten-Siegel gefunden. Mucharbek T. hatte auf seinem Handy Videos von Hinrichtungen.
Der österreichische Terrorismusexperte Thomas Schmidinger findet die Urteile hart. Er glaubt nicht, dass sich Überzeugungstäter davon abschrecken lassen. Ralf Leonhard
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