Bei Ceta knickt EU-Chef Juncker ein

EU-Kommission Nach Kritik gesteht die EU allen nationalen Parlamenten ein Zustimmungsrecht über das Abkommen mit Kanada zu. Ceta soll aber in Kraft treten, noch bevor alle Parlamente abgestimmt haben

Er will Ceta retten: EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Foto: Vincent Kessler/reuters

Aus Brüssel Eric Bonse

Am Ende war Jean-Claude Juncker der Inhalt wichtiger als die Form. Das umstrittene Freihandelsabkommen Ceta zwischen der EU und Kanada soll daher nun doch als „gemischtes Abkommen“, also mit Beteiligung des Bundestags und anderer nationaler Parlamente ratifiziert werden. Juncker knickte ein, verkaufte es aber als Sieg der Vernunft.

Allerdings ging der Chef der Brüsseler EU-Behörde nicht selbst in die Bütt, um seine Kehrtwende zu erklären. Das überließ der politisch angeschlagene Luxemburger seiner Handelskommissarin Cecilia Malmström. Und die pries erst einmal die Vorteile dieses „fortschrittlichsten Freihandelsabkommens aller Zeiten“. Damit all die Vorteile von Ceta schnell greifen, wolle man aber keine Zeit mehr verlieren, so Malmström weiter. Deshalb soll das Abkommen nun so schnell wie möglich ratifiziert werden – durch das Europaparlament und 42 nationale und regionale Parlamente, Großbritannien eingeschlossen.

Nach Zustimmung der EU-Abgeordneten soll Ceta vorläufig in Kraft treten, fügte die Schwedin hinzu. Im Herbst könnte es schon so weit sein. Doch was ist, wenn ein nationales Parlament Nein zu Ceta sagt? Was passiert, wenn das höchste EU-Gericht, das noch über ein Handelsabkommen mit Singapur befinden muss, neue rechtliche Hürden aufstellt?

Dazu wollte sich Malmström nicht äußern. Auch Juncker hielt sich bedeckt. „Ich habe auf die Staats- und Regierungschefs und auf die nationalen Parlamente gehört“, ließ er schriftlich mitteilen. Dabei hatte er noch vor einer Woche beim EU-Gipfel erklärt, dass die nationalen Abgeordneten bei Ceta nichts zu melden hätten.

Nun sollen sie doch mitent­scheiden. Damit geht ein wochenlanger Machtkampf zu Ende. Im Kern geht es dabei um die Rolle der Mitgliedstaaten in der Handelspolitik, aber auch um den künftigen Kurs der EU.

Juncker und Malmström kämpfen gleich an drei Fronten: Zum einen haben sie es mit einer breiten Bewegung gegen den „neoliberalen“ Kurs der EU und gegen Sonderrechte für Konzerne und andere private Investoren zu tun.

Sie wird von außerparlamentarischen Bewegungen wie Attac und Campact organisiert, die mit Petitionen gegen das „trojanische Pferd Ceta“ anrennen. Diese bejubelten am Dienstag die Kehrtwende der EU-Kommission. „Die Kritik von Bürgerinnen und Bürgern ist in Brüssel angekommen“, twitterte auch LobbyControl.

„Fortschrittlichstes Freihandelsabkommens aller Zeiten“

Kommissarin Cecilia Malmström

Widerstand kommt aber weiter aus Städten wie Barcelona, die sich zur „TTIP- und Ceta-freien Zone“ erklärt hat. Eine weitere Front steht auf der Ebene der nationalen und regio­nalen Parlamente. Sie fordern ein Mitspracherecht bei wichtigen EU-Entscheidungen. Während sich der Bundestag noch nicht auf eine Position festgelegt hat, sagt die französischsprachige belgische Region Wallonie „Non“ zu Ceta.

Die dritte und wohl entscheidende Front verläuft zwischen der EU-Kommission und den nationalen Regierungen. Sie werfen sich wechselseitig vor, im Streit um den Freihandel versagt zu haben. Vor allem die deutsche Regierung habe es versäumt, offensiv für Ceta und TTIP zu kämpfen, heißt es in Brüssel.

Angeheizt wird der Streit durch den Sieg der EU-Gegner in Großbritannien. Auf britischen Druck hatte die EU-Kommission schon vor dem Brexit-Referendum angekündigt, nationale Parlamente künftig stärker an EU-Entscheidungen zu beteiligen.

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