: Die kommende Generation muss sich noch gedulden
Öko Vom Abgeordnetenhaus blockiert: das Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm
Michael Schäfer, Grüne
So viel Pathos gibt es selten im Abgeordnetenhaus, und dann auch noch im Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt, wo sonst eher undramatisch debattiert wird: „Kollege Dregger“, wandte sich Pirat Philipp Magalski am Mittwoch zur CDU-Fraktion, „ich appelliere an Sie als Familienvater! Kollege Freimark, Danny, bitte geh in dich! Denk an unsere Verantwortung für die kommende Generation!“
Mit „das“ meinte Magalski, dass das BEK – das Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm – nicht beschlossen wird. Es ist quasi das Drehbuch, nach dem das im März verabschiedete Energiewendegesetz umgesetzt werden soll. In fünf Handlungsfeldern werden Maßnahmen aufgelistet, von der Kampagne zur Reduzierung von Leuchtreklame über den Ausbau von Elektroladestationen bis zu Förderung klimaneutraler Ernährung in Schulen. Grundlage ist unter anderem die „Machbarkeitsstudie Klimaneutrales Berlin“.
Eigentlich sollte das BEK in dieser Legislaturperiode in Kraft treten. Dazu musste es laut Energiewendegesetz vor der Sommerpause vom Senat beschlossen werden – was auch geschah. Stecken geblieben ist es im Parlament: In der letzten Sitzung des Umweltausschusses am 22. Juni meldete die CDU Bedenken in Bezug auf einige Textstellen an, aber die SPD war nicht bereit, Abstriche von der letzten Fassung zu machen. Vor den Wahlen am 18. September kommt zwar noch einmal das Plenum zusammen, nicht aber der Ausschuss. Somit wäre das BEK auf die kommende Legislaturperiode vertagt gewesen. Auf Antrag der Grünen fand deshalb gestern eine Sondersitzung statt.
Auch der Grüne Michael Schäfer redete den Kollegen von der Koalition hochemotional ins Gewissen: „Wenn wir etwas aus dem Brexit lernen sollten, dann, dass es nirgendwo hinführt, wenn man Probleme vertagt und wegschiebt. Wir sind so kurz davor!“ Schäfer erinnerte an den Konsens, den alle Fraktionen in der Enquetekommission „Neue Energie für Berlin“ erreicht hätten. Den solle man nicht verspielen: „Lassen Sie uns heute so lange hier sitzen, bis wir das BEK hinkriegen!“
Allein, die CDU beharrte auf Gesprächsbedarf – und die SPD darauf, dass der Text nicht mehr verhandelbar sei. Das unmoralische Angebot von Marion Platta (Linke), doch zusammen mit der Opposition das BEK zu beschließen, prallte an der funktionierenden Koalitionsräson der Sozialdemokraten ab.
Womit die CDU nicht leben kann, deutete ihr Sprecher für Stadtentwicklung Stefan Evers nur an. Etwa mit dem Punkt „Reduzierung des Wohnflächenbedarfs pro Kopf“ („Wir schreiben niemandem vor, wie er zu wohnen hat“) oder mit dem Ausbau der Windenergienutzung auf den Flächen der Stadtgüter.
Was Wunder: Ein Beschluss kam nicht zustande. Michael Schäfer will jetzt die Sprecher aller Fraktionen an einen Tisch bekommen – nach der Sommerpause wäre Zeit für eine erneute Sondersitzung. Er selbst hält das BEK zwar in vielen Aspekten für „windelweich“, ein Nichtzustandekommen sei aber ein fatales Signal. Claudius Prößer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen