Falschmeldungen von Bürgerwehren: Nichts als Hass und Hetze
Bürgerwehren verbreiten oft Falschmeldungen im Netz. Eine Homepage sammelt diese Gerüchte nun, um sie zu entkräften.
Selbst deklarierte Bürgerwehren nutzen soziale Netzwerke, um frei erfundene Gerüchte über Asylbewerber in die Welt zu setzen. Zum Beispiel im nordrhein-westfälischen Oberhausen. Die lokale „Bürgerwehr“ hatte auf Facebook gepostet, dass Asylbewerber ein zwölfjähriges Mädchen in einem Park unsittlich berührt und zusammengeschlagen hätten. Nach Erkenntnissen der Polizei hat es diese Tat jedoch nie gegeben. Die lokale Bürgerwehr wollte mit dem Gerücht gezielt Stimmung machen und neue Mitglieder zu werben.
Die Internetseite Hoaxmap zählt seit Februar Gerüchte wie dieses und zeichnet den Ort der vermeintlichen Tat auf einer bundesweiten Karte ein. 385 dieser tatsächlichen Lügen hat sie zusammengetragen – alle sind durch Berichterstattung lokaler Medien entkräftet und widerlegt. Die Seite ist eine Dokumentation, wie Rechte systematisch Angst schüren. „Bürgerwehren, Nein-zum-Heim-Seiten und Pegida nutzen gezielt Gerüchte“, sagt Karolin Schwarz, eine der GründerInnen von Hoaxmap.
Oliver Malchow, Sprecher der Polizeigewerkschaft GdP, sieht das ähnlich: „Gerüchte und Fantasien spielen bei der Mobilisierung von Bürgerwehren eine Rolle.“ Nach den Silvesterübergriffen in Köln hätten sich Bürger zunehmend ungeschützt gefühlt, auch wenn eine Zunahme der tatsächlichen Bedrohung statistisch voraussichtlich nicht zu belegen sei. Wegen der gefühlten Bedrohung gebe es neben vielen Anträgen auf einen kleinen Waffenschein auch vermehrt die Bildung von Bürgerwehren. „Das ist fatal für den Rechtsstaat. Nicht alle Bürgerwehren sind von Rechten initiiert, aber viele Rechtsextreme nutzen sie, um Macht zu demonstrieren“, sagt Malchow.
In der Nähe von Flüchtlingsheimen gegründet
Zudem stünden Bürgerwehren unter „Erfolgsdruck“: „Wer vor einer Bedrohung warnt, kann natürlich am Ende nicht mit leeren Händen dastehen. So kommt es zu Überreaktionen. Bürger wurden zu Unrecht festgehalten. Mehrfach kam es auch zu Körperverletzungen“, sagt Malchow.
Laut Bundesregierung hatte es bereits Ende 2015 wenigstens sieben Bürgerwehren gegeben, die extrem Rechte gründeten. Das geht aus einer kleinen Anfrage der Linksfraktion um Martina Renner hervor. Beispiele gibt es in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Sachsen-Anhalt. Neben völkischer Rhetorik und Mitgliedern neonazistischer Vereinigungen ist den Bürgerwehren gemein, dass sie sich in der Nähe von Flüchtlingsunterkünften gründeten.
Ein herausragendes Beispiel kommt, wie so oft, aus Freital: Dort bildete sich aus der Bürgerwehr „FTL/360“ eine mutmaßlich terroristische Vereinigung, die laut Bundesanwaltschaft mit Sprengstoff Scheiben einer Geflüchtetenunterkunft zerstören wollte, um dort Lebende zu verletzen. Im April wurden sechs „FTL/360“-Mitglieder festgenommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht macht BND für Irrtum verantwortlich
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!