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Sozialistisch waffenstarrend

Austausch Die Ausstellung „Things Fall Apart“ in Bayreuth reflektiert die Verbindung des afrikanischen Kontinents zur Sowjetunion und zu den sozialistischen Staaten

Plakat „Long live the world – October 1933“ von Gustav Gustavovich Klutsis Foto: Iwawelahaus Bayreuth

VON Spunk Seipel

Die südafrikanische Fotografin Jo Ratcliffe suchte 2007 in Angola die Spuren der Beziehungen zu den sozialistischen Ländern außerhalb Afrikas. Sie fand die verblassten Wandbilder von Leonid Breschnew, Fidel Castro und Agostinho Neto, dem ersten Präsidenten Angolas. Und sie entdeckte das 120 Meter hohe Mausoleum von Agostinho Neto, der in Moskau wie Lenin einbalsamiert wurde. Ihre Aufnahmen erzählen die Geschichte vom Verlust sozialistischer Zukunftsperspektiven in Afrika. Eine Geschichte, die in Europa weitestgehend vergessen ist, obwohl sie Afrika bis heute prägt.

Dieser Geschichte gilt die aktuelle Ausstellung des englischen Kurators Mark Nash im Iwalewahaus in Bayreuth, dem profiliertesten Museum für aktuelle afrikanische Kunst Deutschlands. Es ist an die Universität Bayreuth angebunden, an der Lukas Heger über die Afrikareisen von Erich Honecker geforscht hat.

Die Reisen sollten die Brüderschaft einiger junger sozialistischen Staaten in Afrika mit der DDR stärken, die selbst in den 70er Jahren noch nach internationaler Anerkennung suchte. Das bezeugen als Kopien ausgelegte Beiträge aus den DDR-Medien. Höhepunkt der Reisen war die Einweihung eines Karl-Marx-Denkmals in Äthiopien. Die brutale Verfolgung politisch Andersdenkender durch das Mengistu-Regime damals wird in der Ausstellung allerdings nicht thematisiert. Das muss man ihr vorwerfen, selbst wenn ihr Ziel die Wiederentdeckung der sozialistischen Utopie in Afrika ist, als vergessene Alternative zum westlich-kapitalistischen System. Dem gilt auch das Symposium „Red Africa“, das von Nadine Siegert engagiert zusammengestellt wurde. Ein weißer Fleck in der Forschung, den in allen Aspekten zu füllen eine einzelne Ausstellung alleine nicht leisten kann.

Gute Erinnerungen

Der Sozialismus weckt in vielen Menschen in Afrika positive Erinnerungen. Das wird unter anderem in Thabo Thindis Videointerviews mit ANC-Kämpfern deutlich, die in die DDR geflohen waren. Viele antikoloniale Befreiungsbewegungen, die vom Westen bekämpft wurden, erhielten von sozialistischen Ländern Unterstützung. Für viele Freiheitskämpfer war die DDR eines der wenigen Länder, wo die als Terroristen Verfolgten sicheres Asyl erhalten konnten. Nelson Mandela wurde im Westen bis in die 80er Jahre als Terrorist gebrandmarkt. Der Mord an Patrice Lumumba durch belgische Geheimdienste, wie ihn ein Gemälde Tshi­bumba Kanda-Matulus zeigt, ist bis heute für viele Afrikaner eine prägende Geschichte. Der Kalte Krieg war in Afrika oft ein heißer Krieg.

Kein Wunder also, dass der Sozialismus in Afrika oft ein besseres Image hat als in Westeuropa. Sozialismus steht hier dann für Freiheit, Unabhängigkeit und das Versprechen einer gerechteren Wirtschaft. Das prägt den Kontinent bis heute, denn viele Politiker, die die letzten Jahrzehnte eine wichtige Rolle spielten, haben entweder in Moskau studiert oder sind zumindest sozialistisch ausgebildet worden. Die Forschungsarbeit von Constantin Katsakioris zeigt in der Ausstellung diese Wechselbeziehungen. Das große Abschwören vom Sozialismus der afrikanischen Politiker nach 1990 ließ diese Prägung nicht verschwinden. Demokratie wird deshalb in Afrika oft anders verstanden, als vom Westen erwartet wird.

In Simbabwe, Namibia und anderen Staaten ist die sozialistische Prägung der Politik noch deutlich zu spüren. Ein äußeres Zeichen dafür sind die von Nordkorea gebauten Großdenkmäler für die Helden der Befreiungskämpfe und für die Staatspräsidenten. Onejoon Che dokumentiert sie in Fotografien. Der Versuch, durch afrikanische Staaten internationale Anerkennung zu erhalten, setzt sich fort. Die kulturelle Einflussnahme im sozialistischen waffenstarrenden Stil ist in Afrika lebendig.

Viele der gezeigten Plakate für den Befreiungskampf fallen durch die massive Präsenz von Waffen auf. Auch die Filmdokumente zeigen eine militante Ästhetik. Das Kino war, wie Arbeiten von Isaac Julien, Angela Ferreira oder Milica Tomec verdeutlichen, eines der wichtigsten Instrumente der sozialistischen Kulturpropaganda und Selbstvergewisserung der jungen afrikanischen Staaten.

Ute Fendler setzt sich für Restaurierung und Digitalisierung der oft katastrophal schlecht archivierten Filmrollen ein. Die verblassenden Bilder auf Zelluloid von heroischen Freiheitskämpfern und den propagandistischen Reden einer besseren Zukunft wurden restauriert und sind nun wieder aufführbar. Die Erinnerung an eine andere Zukunft verblasst nicht so vollkommen, wie das Wandbild von Breschnew in Angola.

Bis 18. September, Iwalewahaus Bayreuth, www.iwalewahaus.uni-bayreuth.de

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