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Augen zu und souverän bleiben

Konfrontation Wieder einmal saß mit Gauland ein Vertreter der AfD im Ersten Deutschen Fernsehen. Und wieder bangten wir, dass es nach hinten losgeht

Äußerlich ruhig und freundlich ließ Maas (r.) sein Gegenüber wissen: Sie lügen Foto: Wolfgang Borrs/NDR

von Barbara Junge

Eine Kanzler-Diktatorin will das deutsche Volk, dessen Fußballnationalmannschaft nicht mehr wirklich deutsch wie noch 1954 oder 1972 ist, ergänzen und zersetzen. Ihre Politik der menschlichen Überflutung ist nur ein Versuch, das Deutsche auszulöschen. Und das deutsche Volk ist derweil tolerant und deshalb – wie schon die NPD gesagt hat – bald fremd im eigenen Land. Aber gut, dass Alexander Gauland kein Rassist ist.

Die öffentlich zelebrierte völkische Radikalisierung des ehemaligen Unionspolitikers in den vergangenen Tagen (nachzuvollziehen an obiger Zusammenfassung) hat sich in rasender Geschwindigkeit vor unseren Augen abgespult. Fortsetzung folgt, so viel darf man als gesichert annehmen.

Angesichts des Tempos, mit dem Alexander Gauland durch das urdeutsche Propagandavokabular gepflügt ist, muss es nicht verwundern, dass er am Ende nicht immer wusste, was er gerade weiß und was er möglicherweise gesagt hat oder auch nicht.

Kampf um Deutungshoheit

Aber musste Anne Will am späten Sonntagabend deshalb gleich fragen, wie rassistisch Deutschland ist? Wieder einmal saß mit Gauland ein Vertreter der AfD im Ersten Deutschen Fernsehen. Und wieder bangten wir, dass es nach hinten losgeht. Das Motto der Sendung diesmal: „Wie rassistisch ist Deutschland?“ Damit wir uns nicht falsch verstehen: Diese Frage kann man mit großer Berechtigung stellen. Und Migrationsforscherin Bilgin Ayata, auch in der Sonntagsrunde, konnte die Frage dann auch in aller Schlichtheit beantworten: Der Rassismus ist geblieben, was er war, er ist bloß inzwischen enthemmter und salopper.

Aber wer, wie Anne Wills Team, Gauland für den Talk einlädt, will nichts wissen, schon gar nicht von Deutschland. „So rassistisch ist Herr Gauland“ wäre der bessere Titel gewesen. Braucht es dafür wirklich eine Sendung? Oder schafft man unnötigen Werberaum?

Mehr als zwei Milliarden Dollar ist die TV-mediale Aufmerksamkeit in Werbung umgerechnet wert, die der US-amerikanische rechtsblinkende Präsidentschaftskandidat Donald Trump als Sendezeit ­bislang bekommen hat. Ein eigenes Werbebudget braucht der kaum.

Erfolgreich kopiert die AfD das Modell in Deutschland. Frauke Petry hat das Prinzip vorgegeben: provozieren, Aufmerksamkeit, kleine Rückzieher, nächster Sieg im Kampf um die Deutungshoheit der deutschen Befindlichkeit.

Wenigstens eines kann man festhalten: Der Talk war eines der wenigen Beispiele, bei denen man nicht den dringenden Impuls verspürt hätte, live mit auf Sendung zu gehen, um die antimodern-beinahe-grundgesetzwidrige Hetze zu unterbinden, wenn schon der Moderator oder die Moderatorin dies nicht schafft – wobei eigener Erfolg noch nachzuweisen wäre.

Gerade vor vier Wochen hatte Frauke Petry Anne Will die Sendung dankend aus der Hand genommen.

Der Talk war eines der wenigen Beispiele, bei denen man nicht den dringenden Impuls verspürt hätte, live mit auf Sendung zu gehen

Immerhin in einem einig

Ziemlich sicher war es wesentlich einfacher, einem müde wirkenden Alexander Gauland gegenüber zu sitzen als einer stets wie aufgeputschten Frauke Petry. Und mit Gauland wusste der Bundesjustizminister und entschiedene Gegner der Partei gewordenen rechten Sammlungsbewegung Heiko Maas dann sehr gut umzugehen.

Äußerlich ruhig und freundlich ließ Maas sein Gegenüber in variablen Formen wissen: Sie lügen. Und Gauland widersprach nicht. Es war fast, als hätten sich die beiden Herren insgeheim darauf geeinigt, dass sie beide einen unterschiedlichen Begriff von Wahrheit haben.

Entsprechend nüchtern nahm Maas die Redeanteile Alexander Gaulands zur Kenntnis. Heiko Maas hat eine klare politische Linie im Umgang mit der AfD, die er davon abhalten will, uns ins Deutschland von vorgestern zu führen. So etwas, eine klare Linie, könnte helfen, den rechten Rettern des deutschen Volkes souverän zu begegnen.

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