: Klare Urteile im Condor-Prozess
Argentinien Die Machthaber der lateinamerikanischen Diktaturen haben eine kriminelle Vereinigung gebildet, um Oppositionelle zu entführen und zu ermorden, so das Gericht
Aus Buenos Aires Jürgen Vogt
Im historischen Prozess um die Aufarbeitung von Diktaturverbrechen während der „Operation Condor“ in Südamerika ist erstmals ein Urteil gesprochen worden. Ein Gericht in Argentinien verurteilte führende Militärs aus Argentinien und Uruguay am Freitag wegen Menschenrechtsverbrechen zu Strafen zwischen 8 und 25 Jahren Haft. Ihnen wird vorgeworfen, für das gewaltsame Verschwinden von mehr als 100 Menschen aus mehreren südamerikanischen Ländern verantwortlich zu sein.
„Operation Condor“ war der Codename für die geheime Zusammenarbeit mehrerer Militärregierungen in den 1970er und 1980er Jahren im Kampf gegen politische Gegner. Beteiligt waren Argentinien, Brasilien, Uruguay, Paraguay, Chile und Bolivien. Mit dem „Plan Condor“ koordinierten die Militärdiktaturen die grenzüberschreitende Verfolgung von Regimegegnern. Ein Bundesgericht in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires bewertete diese Zusammenarbeit am Freitag als Bildung einer kriminellen Vereinigung. Dabei ging es um Mord und Entführung von 45 uruguayischen, 22 chilenischen, 13 paraguayischen, 11 bolivianischen sowie 14 argentinischen Staatsangehörigen im Rahmen der „Operation Condor“. Lediglich zwei Angeklagte wurden freigesprochen.
Der einzige nichtargentinische Angeklagte, der frühere uruguayische Offizier Manuel Cordero, wurde zu 25 Jahren Haft verurteilt. Cordero wurde unter anderem für das Verschwinden der Schwiegertochter des argentinischen Dichters Juan Gelman verantwortlich gemacht. Die damals neunzehnjährige, hochschwangere María Claudia García war am 24. August 1976 gemeinsam mit ihrem zwanzigjährigen Ehemann Marcelo Ariel Gelman, dem Sohn des Dichters, in Buenos Aires entführt worden. Während Marcelo Ariel Gelman wenig später ermordet wurde, wurde María Claudia von uruguayischen Militärs nach Montevideo verschleppt. Ihr Kind wurde wenige Wochen nach der Geburt Anfang November 1976 geraubt und an ein kinderloses Ehepaar übergeben. María Claudia ist bis heute verschwunden.
Vier Jahre vor seinem Tod konnte Juan Gelman nach langer Suche im Frühjahr 2000 seine Enkelin Macarena in Montevideo ausfindig machen. Die im Gerichtssaal anwesende Macarena Gelman zeigte sich mit dem Urteil sichtlich zufrieden.
Der Prozess hatte im März 2013 begonnen. Von den einst 32 Angeklagten standen noch 17 vor Gericht. Einige waren während des Prozessverlaufs gestorben, darunter Argentiniens Exdiktator und erster Junta-Chef Jorge Rafael Videla. Unter den Verurteilten ist der letzte Juntachef der Militärdiktatur, Reynaldo Benito Bignone. Der 88-jährige Bignone wurde zu 20 Jahren Haft verurteilt.
Für den Prozess wurden Archive und Unterlagen aus mehreren Ländern sowie deklassifizierte Dokumente der US-Regierung herangezogen. Zusammen mit Zeugenaussagen konnte so die Bildung einer kriminellen Vereinigung durch Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Paraguay und Uruguay mit Billigung der US-Regierung belegt werden. Treibende Kraft der Zusammenarbeit war das chilenische Militär um den Diktator Augusto Pinochet. Menschenrechtler begrüßten das Urteil. „Das ist das erste Mal, dass die Justiz eines amerikanischen Landes erklärt, dass dieser Plan der Diktaturen im Süden des Kontinents eine kriminelle Vereinigung zur Durchführung von Verbrechen war“, sagte Horacio Verbitsky, der Vorsitzende der argentinischen Menschenrechtsorganisation CELS. (mit epd)
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