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Es fehlt eine Anlaufstelle

Diskriminierung Benachteiligte SchülerInnen können sich zwar beraten lassen – eine unabhängige Beschwerdestelle fehlt jedoch. Die aber ist dringend notwendig, sagen Berliner Beratungsstellen

von Ralf Pauli

Gute Absicht, leider diskriminierend. Um ihre Schulen mit hohem Migrantenanteil ein bisschen zu durchmischen, bieten so manche Berliner SchulleiterInnen biodeutschen Eltern – mehr oder minder offen – an, ihre Kinder nicht mit migrantischen SchülerInnen in eine Klasse zu stecken. Die homogene Kita-Gruppe bleibt dann auch in der Grundschule ohne Kinder anderer Hautfarbe, Herkunft oder Religion. Auch an weiterführenden Schulen gibt es solche „segregierte“ Klassen, hat das Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin des Türkischen Bundes in Berlin-Brandenburg (ADNB) dokumentiert. Spricht das Netzwerk die Schulen darauf an, führen diese verschiedene Ausflüchte an: Das sei praktischer für den Religionsunterricht – oder schlicht Zufall.

Solche Erfahrungen macht Eva Maria Andrades vom ADNB seit Jahren. Die Juristin berät Eltern und SchülerInnen, die sich in oder von Schulen diskriminiert fühlen. Und immer, wenn sie sich in deren Namen bei der Schulleitung beschwert, muss sie feststellen: Nicht alle Schulen sind aufgeschlossen für Kritik von außen. Schulen, die religiösen Musliminnen verbieten, das Kopftuch zu tragen, spuren oft erst dann, wenn Andrades eine entsprechende Aufforderung des Senats vorlegt. „Was die Schulen machen, geschieht nicht immer in böser Absicht. Aber an den Schulen fehlt zum Teil das Bewusstsein, dass es eine diskriminierende Praxis ist, Kinder aufgrund eines Migrationshintergrunds in separate Klassen einzuteilen oder in ihrer Religionsfreiheit einzuschränken.“

Und dagegen ist auch juristisch bislang kaum vorzugehen. Denn das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das die Benachteiligung aufgrund von Geschlecht, Hautfarbe, Religion, etc. verbietet, nimmt den Bildungsbereich komplett aus. Von den rund 200 Diskriminierungsfällen, die im Jahr bei Eva Maria Andrades und ihren KollegInnen auf dem Schreibtisch landen, können sich die BeraterInnen nur dann auf das Gleichheitsgesetz berufen, wenn es sich etwa um unrechtmäßige Kündigungen, Absagen bei Bewerbungen oder einen grundlosen Ausschluss bei der Wohnungssuche handelt. Und auch das Berliner Schulgesetz ist ungenügend. Es verbietet zwar Diskriminierung. Daraus leiten sich aber nicht die Rechte ab, die die Betroffenen in solchen Fällen bräuchten: Schutz der sich Beschwerenden vor Viktimisierung, klare Ansprechpartner, Sanktionsmöglichkeiten gegen die TäterInnen.

Die verschiedenen Beratungsstellen, die sich zum Berliner Netzwerk gegen Diskriminierung in Schule und Kita (BeNeDiSK) zusammengeschlossen haben, fordern seit Langem eine unabhängige Beschwerdestelle speziell für den Schulbereich. Bislang gibt es beim Berliner Senat nur eine generelle Beschwerdestelle. Die sei aber weder unabhängig noch mit den notwendigen Kompetenzen ausgestattet, sagt Carsten Ilius von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Am Mittwoch hat die Gewerkschaft ein Gutachten vorgestellt, wie die Beschwerdestelle aussehen müsste: nicht dem Senat unterstellt und mit umfassenden Untersuchungsrechten an allen Schulen ausgestattet. Um sie einzurichten, müsse der Senat endlich ein entsprechendes Gesetz verabschieden (siehe Interview).

Gegen Diskriminierung an Schulen ist juristisch bislang kaum vorzugehen

Bisher gibt es in keinem Bundesland ein Gesetz oder eine Beschwerdestelle speziell für Schulen. Und das, obwohl die europäische Anti-Rassismus-Richtlinie den deutschen Länderministerien vorschreibt, auch SchülerInnen vor Diskriminierung zu schützen. „Wir Beratungsstellen haben keine rechtliche Handhabe“, kritisiert Juristin Andrades. Wenn sich die Schule schützend vor ihre Lehrkräfte, der Senat schützend vor seine Schulen stellt – dann sei nichts zu machen. Bislang habe die Senatsverwaltung wenig Bereitschaft gezeigt, die Lücken im Gesetz zu stopfen. Zwar unterstützt er die Anlaufstelle Antidiskriminierung und Diversity an Schulen (ADAS), die im Juni ihre Arbeit aufnehmen will, doch eine weitere Beratungsstelle – auch eine begrüßenswerte – löse nicht die bestehende Probleme, urteilt Andrades.

Vielleicht spielt den Berliner Beratungsstellen ja auch das Wahljahr in die Hände. Das Netzwerk will sich mit den BildungssprecherInnen aller Parteien treffen. Läuft es gut, macht eine Oppositionspartei daraus vielleicht ein Wahlkampf­thema. Läuft es besser, gewinnt sie die Wahl.

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