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Kanadas Grüne gegen Kretsch

Freihandel Der Oberrealo in Baden-Württemberg hält sich ein Ja zu TTIP und Ceta offen. Jetzt fordert Parteichefin Peter in Berlin eine Ansage – und bekommt Hilfe aus Übersee

Kanadas Grünen-Chefin Elisabeth May (rechts) hat einen Brief nach Berlin geschrieben Foto: Heinz Ruckemann/laif

Von Ulrich Schulte

BERLIN taz | So ein grenzüberschreitender Hilferuf ist selten in der Politik: Kanadas Grüne bitten ihre Parteifreunde in Deutschland, das Freihandelsabkommen Ceta zu stoppen. „Ihr habt große Macht über die Zukunft von Ceta“, heißt es in einem Brief der kanadischen Ökopartei an die Grünen in Bund und Bundesländern. „Wir bitten euch dringend, diese Macht jetzt zu nutzen.“ Das Abkommen zwischen der EU und Kanada sei ein Schritt in die falsche Richtung, wenn es darum gehe, den Planeten zu schützen. Das Schreiben, das der taz vorliegt, haben Eli­zabeth May und ­Maude Bar­low unterschrieben. May ist Chefin der Grünen in Kanada, Barlow ist Präsidentin des „Council of Canadians“, einer großen Nichtregierungsorganisation, die in sozialen Bewegungen aktiv ist.

Beide weisen auf die Sperrminorität der deutschen Grünen im Bundesrat hin. Wenn die von Grünen mitregierten Länder erklärten, im Bundesrat mit Nein zu stimmen, „können sie maximalen Druck auf die Euro­päi­sche Kommission ausüben, den Ratifizierungsprozess zu stoppen.“ Ceta ist ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada. Es muss aller Voraussicht nach vom Bundesrat abgesegnet werden, weil es Inte­res­sen der Länder berührt – etwa der Landwirtschaft oder im Verbraucherschutz.

Der Brief aus Kanada dürfte die innerparteiliche Debatte über Ceta verschärfen. Denn die Grünen agieren in einem Widerspruch. Offiziell lehnt die Partei Ceta und TTIP, das Schwesterabkommen mit den USA, ab. 90 Prozent der Grünen-Wähler sind laut Umfragen gegen die Abkommen.

Doch so klar, wie es die Grünen suggerieren, ist ihre Position nicht – zumindest nicht in Baden-Württemberg. Im Wahlkampf hatten die dortigen Grünen unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann ebenfalls versprochen, Ceta abzulehnen. Doch im grün-schwarzen Koalitionsvertrag findet sich keine Absage an das Abkommen. Stattdessen zählt Kretschmanns Koalition Bedingungen auf, von denen die Zustimmung abhänge – etwa die „öffentliche Gerichtsbarkeit bei Investor-Staats-Klagen“. Diese Formulierung unterscheidet sich deutlich von den Ansagen im ­Wahlkampf. Und sie ist perfekt auf den fertig ausgehandelten Ceta-Vertrag abgestimmt. Investoren sollen danach nämlich nicht mehr wie ursprünglich geplant vor geheim tagenden Privatgerichten klagen dürfen, sondern vor einem neu geschaffenen Handelsgericht mit öffentlichen Anhörungen. Kretschmann, der mit der Ceta-befürwortenden CDU regiert, öffnet also eine Hintertür für ein Ja im Bundesrat.

„Ich erwarte eine Ablehnung im nationalen Verfahren“

Simone Peter, Grünen-Chefin

Seine Lage ist kompliziert: In Baden-Württemberg sitzen exportorientierte Konzerne wie Daimler oder Bosch, die großes Interesse an Handelsvereinfachungen haben. Die USA seien für das Land der wichtigste Wirtschaftspartner, heißt es im Ko­alitionsvertrag.

Grünen-Chefin Simone Peter, überzeugte Ceta-Kritikerin, sieht ihre Partei in der Pflicht. „Wir wollen, dass die TTIP-Verhandlungen unverzüglich gestoppt werden, und haben die Bundesregierung aufgefordert, dem Ceta-Entwurf im Europäischen Rat nicht zuzustimmen“, sagte Peter am Mittwoch der taz. Entsprechend erwarte sie „eine klare Ablehnung im nationalen Gesetzgebungsverfahren. Hier stehen wir im Wort.“ Das darf man als Warnung in Richtung Ländle verstehen.

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