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Kampf um Aleppo in Syrien„Das ist die reinste Hölle“

Die vergangenen Tage waren die schlimmsten, die Aleppo im Krieg erlebt hat. Die Zahl der Angriffe auf Kliniken sei absurd hoch, so das Rote Kreuz.

Eine verletzte Bewohnerin Aleppos in der Trümmern der von Rebellen gehaltenen Stadt Foto: reuters

Kairo taz | US-Außenminister John Kerry hat den syrischen Präsidenten Bashar Assad davor gewarnt, dass der syrische Bürgerkrieg auch mit weiteren militärischen Aktionen nicht zu gewinnen ist. Die USA und Russland verhandeln im Hintergrund, um die Waffen dort wieder zum Schweigen zu bringen.

Mehr als 250 Menschen sollen dort in den letzten zehn Tagen ums Leben gekommen sein. Zumindest an diesem Mittwochmorgen scheint es in Aleppo relativ ruhig zu sein, sagt der Sprecher des Roten Kreuzen (IRK), Pawel Krzysiek, der taz.

„Die Sonne scheint in Aleppo, es ist ein gespenstisch ruhiger Morgen, verglichen zu den letzten Tagen“, erzählt er. Gerade hatte er ein Telefongespräch mit dem dortigen Team des Internationalen Roten Kreuzes beendet. „Sie alle schätzen das aber eher als die Ruhe vor dem Sturm ein“, fügt er hinzu.

Die Tage zuvor waren die schlimmsten, die Aleppo in diesem Krieg erlebt hat. „Es gab vor allem an der östlichen Seite Bombardement und Wellen von Granateinschlägen“, erzählt Krzysiek. Diesmal wurde eine medizinische Einrichtung der Regierungstruppen beschädigt, aber auch auf Seite der Rebellen wurde ein medizinisches Lager getroffen, dabei wurde wichtiger Medikamentennachschub zerstört.

„Das zeigt, dass diese Angriffe wirklich den Level von totaler Absurdität erreicht haben“, macht sich der Sprecher des IRK Luft. Noch nie habe er so viele die Angriffe auf medizinische Einrichtungen erlebt. „Ich weiß nicht mehr was ich dazu sagen soll, ich weiß nur das ist total verrückt und muss aufhören“, sagt er.

Sechs medizinische Einrichtungen getroffen

„Ich habe eine solche Intensität noch nie erlebt. Wenn in weniger als einer Woche sechs medizinische Einrichtungen getroffen werden, dann bedeutet das nicht nur, dass Menschen und medizinisches Personal sterben oder verwundet werden. Hier werden lebenswichtige Dienstleistungen zerstört, die in Aleppo ohnehin Mangelware sind“, erklärt er.

Wie lebt es sich in einer Stadt wie Aleppo? Wie läuft dort der Alltag ab? „Das ist kein Leben mehr, das ist die reine Hölle“, antwortet Krzysiek. Niemand sei auf so etwas vorbereitet. „Es gibt keine Bunker, wie etwa in Deutschland während des Zweiten Weltkrieges. Die Menschen sitzen zu Hause und beten, dass die Bomben oder die Granaten nicht den Ort treffen, an dem sie sich aufhalten. Sie versuchen zu überleben, aber das ist kein Leben.“

Man könne das sogar an den Gesichtern der Menschen sehen, hätten seine IRK-Kollegen in Aleppo erzählt. „Die Müdigkeit der Menschen, ihre Hoffnungslosigkeit ist dort abzulesen und keiner weiß, was als Nächstes kommt. Die Leute schlafen nachts nicht und tagsüber hören sie entweder Granat- oder Bombeneinschläge oder Flugzeuge, die über die Stadt kreisen. Die Straßen sind leer, denn niemand will ein unnötiges Risiko eingehen und sich diesem Irrsinn auszusetzen.“

„Es ist einfach zu gefährlich“

Noch ist eine einzige größere Straße zur Außenwelt offen, über die die Stadt noch versorgt werden kann. Gerade bereite das Internationale Rote Kreuz weitere Konvois vor. Lebenswichtiger medizinischer Nachschub werde in die Stadt gebracht und Ersatzteile, um die Wasserversorgung aufrechtzuerhalten.

Das IRK führe einen Notfallplan durch, um sich darauf vorzubereiten, wenn sich der Belagerungsring um die von den Rebellen kontrollierten Viertel in der Stadt schließen sollte. „Noch können wir zwar noch alles aus verschiedenen Nachschublagern nach Aleppo hineinbringen. Aber das heißt nicht, dass wir diesen Nachschub unter diesen Umständen auch zum Einsatz bringen können,“ erläutert Krzysiek.

In den vergangenenTagen sei das unmöglich gewesen, weil die Kämpfe so intensiv waren. Sämtliche humanitären Aktivitäten seien in Wartestellung. „Es ist“, sagt der IRK-Sprecher, „einfach zu gefährlich“.

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1 Kommentar

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  • Schlimm, dass große Teile der FSA den Waffenstillstand beendet haben.