Kinofilm „A Bigger Splash“: Jeder Blick ein Drama
Der alternde Produzent Harry sprengt die Ferien seiner Ex-Freundin. Das Nichtstun wird zu einer kaum auszuhaltenden Spannung.
Das Drehbuch ist adaptiert von einem – relativ – alten französischen Film, der Titel zitiert ein ebenso altes Gemälde von David Hockney. Aber das Erste, das für Luca Guadagninos „A Bigger Splash“ spricht, ist die Tatsache, dass man die popkulturellen Referenzen eigentlich nicht braucht.
Denn in der Tat ist „Ein größerer Platsch“ eine ziemlich gute Beschreibung für den Auftritt von Ralph Fiennes als alternder Musikproduzent Harry: Wie eine leibhaftige Arschbombe stört er die geruhsamen Ferien, die sich seine Exfreundin Marianne (Tilda Swinton) mit ihrem Liebhaber Paul (Matthias Schoenarts) auf der italienischen Insel Pantelleria gönnt.
Nach einer kurzen telefonischen Vorwarnung fahren Marianne und Paul, im Stillen Schlimmes befürchtend, zum Flughafen, um ihn abzuholen. Harry durchbricht dampfplaudernd, übergriffig und unfassbar gut gelaunt die Zollschranke, einer spritzenden Flutwelle gleich, die alle erwischt, die nicht rechtzeitig auf den Bäumen sind. Es scheint vollkommen klar, dass er Zerstörung hinterlassen wird, sobald er wieder abgezogen ist.
Bis dahin plätscherte der Film so wohltemperiert dahin wie der titelgebende Pool des Originalfilms mit Alain Delon und Romy Schneider. Die Rollennamen und -konstellationen sind die dieselben wie damals, aber die Figuren, die sie ausfüllen, sind ganz andere. Die von Tilda Swinton gespielte Marianne ist ein in die Jahre gekommener Rockstar; frühe Szenen zeigen sie backstage bei einem Open-air-Konzert mit aufgeschminktem Silberstreifen als eine Art weiblicher David Bowie in Aladdin-Sane-Phase.
Augenblicke gemeinsamer Erinnerung
In Anspielung an einen anderen Popstar – Björk – hat Marianne sich kurz zuvor einer Stimmbandoperation unterzogen und darf ein paar Wochen lang nicht sprechen. Was Harry selbstverständlich nicht davon abhalten wird, sie unentwegt dazu bringen zu wollen, doch mindestens ein Ja oder Nein ertönen zu lassen.
Wie überhaupt bald klar wird, dass es Harrys eigentliches Ziel ist, Marianne zurückzuerobern, vielleicht nur für ein paar sentimentale Augenblicke in gemeinsamer Erinnerung an vermeintlich glücklichere Tage. Und das, obwohl alle Beteiligten darum wissen, dass es einst Harry selbst war, der Marianne seinen damaligen guten Freund, den Dokumentarfilmer Paul, „zuführte“, nachdem die Beziehung zwischen ihm und ihr an ihr Ende gekommen war.
„A Bigger Splash“. Regie: Luca Guadagnino. Mit Tilda Swinton, Ralph Fiennes u. a. Italien/Frankreich 2015, 124 Min.
So erscheint es als taktisch geschickter und zugleich abstoßender Schachzug, dass Harry seine Tochter Penelope (Dakota Johnson) mit auf die Insel gebracht hat: Die kecke Teenagerin posiert wie ein abgerichteter Köder vor dem lauernd-vorsichtigen Blick von Paul, der als Exalkoholiker mit eigenen Dämonen hadert.
Ringen um Sichtbarkeit
Man glaubt zu wissen, was passieren soll, aber Guadagninos Film neckt so spielerisch mit sprunghaften Schnitten, Fokusverschiebungen und überraschenden Kameraperspektiven, dass man sich ganz in der eigenartigen Urlaubsatmosphäre von Traumvilla und der rauen Schönheit Pantellerias zu verlieren droht. Man beneidet die Figuren um ihr Dolcefarniente, um die Tage, die sich um Sonne, gutes Essen und abendliches Trinken drehen.
Zugleich liegt in diesem Nichtstun eine kaum zu ertragende Spannung. Harry und seine Aufdringlichkeit, Marianne und ihr hochherrschaftliches Schweigen, Pauls stummer Kampf um männliche Dominanz und Penelopes verzweifeltes Ringen um Sichtbarkeit – fast sind es mehr die allesamt herausragenden Darsteller als das Drehbuch, die ihre Figuren mit so vielen Dimensionen versehen, dass aus jedem Blickwechsel, jedem vielsagend gesenkten Kopf, jeder lässig zuckenden Schulter ein kleines Drama erwächst. Als schließlich das „Unglück“ passiert und es zur Leiche im Swimmingpool kommt, wirkt das irritierend: So weit vom Original wollten sich Guadagnino und sein Drehbuchautor David Kajganich dann doch nicht entfernen.
Und dann finden sie in der Schlussphase noch eine ganz andere Wendung, die den Film so firm in der Gegenwart verankert, dass man sich als Zuschauer ertappt fühlt: Lakonisch führt „A Bigger Splash“ da die gängige Instrumentalisierung von Flüchtlingen vor Augen, vom Nachrichtenhintergrund über die Drohkulisse bis zum willkommenen Sündenbock.
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