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Streik ums Kleingedruckte

Tarifverhandlung Öffentliche Arbeitgeber und Gewerkschaften verhandeln wieder über höhere Löhne

Warnstreik auch am Flughafen Köln/Bonn Foto: Federico Gambarini/dpa

BERLIN taz | Geschlossene Jobcenter, Kindertagesstätten und Schwimmbäder. Busse und Bahnen, die nicht fahren. Kommunale Kliniken, in denen nur im Notfallmodus gearbeitet wird. Müll, der liegen bleibt. Und weit mehr als 1.000 ausgefallene Flüge – allein in München mussten 740 gestrichen werden. Vor der dritten Verhandlungsrunde im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen, die an diesem Donnerstag in Potsdam beginnt, haben die Gewerkschaften kräftig ihre Muskeln spielen lassen. Rund 100.000 Beschäftigte beteiligten sich an ihren quer über die Republik verteilten Warnstreiks.

Die Arbeitgeberseite reagierte verschnupft. „Diese Streiks sind völlig unangemessen“, empörte sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière. „Für die Bestreikung ausgerechnet von wichtigen Flughäfen und Berliner Kliniken gibt es keinen vernünftigen Grund“, sagte der CDU-Politiker, der die Verhandlungen für den Bund führt. Schließlich sollte man über das Arbeitgeberangebot „doch erst mal reden, anstatt zu streiken“.

Oberflächlich betrachtet scheinen die Tarifparteien gar nicht so weit voneinander entfernt: 3 Prozent mehr Geld bieten die Arbeitgeber, 6 Prozent fordern die Gewerkschaften. Doch der Teufel steckt im Detail. Denn das von Verdi & Co. geforderte Lohnplus bezieht sich auf ein Jahr. Die vom Bund und der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) angebotene Entgeltsteigerung verteilt sich hingegen auf zwei Jahre. Der Unterschied ist gravierend.

Die Arbeitgeberseite bietet eine Erhöhung ab Juni 2016 von 1 und ab Juni 2017 von 2 Prozent an. „Bei einer neuen Rekordverschuldung von 145 Milliarden Euro auf kommunaler Seite, einem Investitionsstau von 132 Milliarden Euro in 2014 und erheblichen Integrationskosten kommen wir den Gewerkschaften mit diesem Angebot weit entgegen“, findet VKA-Präsident Thomas Böhle.

Für die Gewerkschaften ist das jedoch ein Taschenspielertrick. Auf das ganze Jahr gerechnet bedeute das Angebot für 2016 nur eine Lohnsteigerung von 0,6 Prozent und für 2017 von 1,2 Prozent – und das bei einer prognostizierten Preissteigerungsrate von 2 Prozent. „Die öffentlichen Arbeitgeber setzen trotz beispiellos guter Kassenlage mit einem Überschuss der öffentlichen Haushalte von fast 30 Milliarden Euro auf Reallohnverluste für die Beschäftigten“, schimpft Verdi-Chef Frank Bsirske. Auch Willi Russ, der Verhandlungsführer des Deutschen Beamtenbunds (dbb), bezeichnete das Angebot als „völlig unbrauchbar“.

Ein weiterer Streitpunkt sind die Betriebsrenten. Weil die Lebenserwartung steigt und die Niedrigzinsphase anhält, forderten die Kommunen ursprünglich nicht näher definierte „Leistungseinschnitte“ bei ihren insgesamt 18 Versorgungskassen.

„Diese Streikssind völligunangemessen“

Innenminister Thomas de Maizière

Davon sind sie zwar inzwischen abgerückt. „Gleichzeitig wollen sie aber einseitig die Beschäftigten zur Kasse bitten“, beklagt Bsirske. So fordern die kommunalen Arbeitgeber nun eine zusätzliche Arbeitnehmereigenbeteiligung, die von Juli 2016 bis Juli 2018 auf insgesamt 0,9 Prozent des zusatzversorgungspflichtigen Einkommens steigen soll. Die „Neujustierung“ sei notwendig, um die betriebliche Altersversorgung „zukunftssicher“ zu machen, argumentiert VKA-Präsident Böhle.

„Hier wird den Menschen zugemutet, einseitig Gelder in Versorgungskassen der Kommunen zu investieren, während auf der anderen Seite das Niveau ihrer gesetzlichen Rentenversicherung sinkt“, hält Verdi-Chef Bsirske dagegen. Das käme für die Gewerkschaften nicht infrage. Pascal Beucker

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