Kolumne Cannes Cannes: Schwache Quote an der Croisette
Das französische Filmfestival beginnt: Mit regressiver Nabelschau, Eskapismus und Regisseurinnen in der Minderheit.
H ollywood, nostalgisch: Wenn man die diesjährigen Eröffnungsfilme der Berlinale und der 69. Filmfestspiele von Cannes nebeneinander stellt, könnte man meinen, die Traumfabrik von einst werde in ihrer Selbstbeschau mittlerweile leicht regressiv, zumindest aber fortschreitend vergangenheitsorientiert. Wurde in „Hail, Caesar!“ von den Coen-Brüdern in Berlin noch die Hochphase des Hollywood-Studiosystems der fünfziger Jahre beschworen – und mit einer gewitzten Meditation über das Verhältnis von Illusion und Glauben verknüpft –, schickt Woody Allen in seinem 46. Film, mit dem er in Cannes heute den Auftakt machen wird, seine von den jungen Darstellern Kristen Stewart und Jesse Eisenberg gespielten Figuren noch weiter zurück in die „Café Society“ des Hollywoods der dreißiger Jahre.
Aber sowohl die Coen-Brüder als auch der in Cannes gern gesehene Gast Woody Allen sind eher Ausnahmeerscheinungen in Hollywood. Denn dort beschäftigt man sich heute vorwiegend mit ganz anderen Dingen. Etwa mit den Folgen der Finanzkrise, wie Jodie Foster in ihrem in Cannes außer Konkurrenz gezeigten Finanz-Gameshow-Thriller „Money Monster“ mit George Clooney in der Hauptrolle.
Oder man wählt komplett jenseits der Realität angesiedelte eskapistische Märchen-Sujets wie Steven Spielbergs ebenfalls außer Konkurrenz laufende Roald-Dahl-Verfilmung „The BFG“. Darin wird ein Mädchen von einem Riesen, einem „big friendly giant“, entführt, damit sie ihm ein wenig Gesellschaft leisten möge.
Was die Konkurrenz betrifft, so hat die Jury um den australischen Regisseur George Miller, in der unter anderem Kirsten Dunst, Vanessa Paradis und Donald Sutherland sitzen, aus 20 Filmen auszuwählen. Unter denen finden sich gerade einmal drei Filme von Regisseurinnen: Geschafft haben es die Französin Nicole Garcia, die britische Filmemacherin Andrea Arnold und die Berliner Regisseurin Maren Ade. Letztere liefert mit ihrer Komödie „Toni Erdmann“ zugleich den einzigen Wettbewerbsbeitrag aus Deutschland. Dass sie nach Margarethe von Trotta die erste deutsche Regisseurin im Wettbewerb seit 1988 ist, kann man als fragwürdige Sensation begrüßen.
Dramatische Finanzkrise
Ansonsten sind Frauen nicht allzu häufig als Regisseurinnen vertreten. Die Reihe „Quinzaine des réalisateurs“ immerhin wartet mit einer neuen Arbeit der Dokumentarfilmerin und Oscar-Preisträgerin Laura Poitras auf, die sich diesmal dem Wikileaks-Aktivisten Julian Assange widmet. In derselben Reihe läuft auch ein neuer Spielfilm des Italieners Paolo Virzì, der in deutschen Kinos zuletzt mit dem Finanzkrisen-Drama „Die süße Gier“ vertreten war. „La pazza gioia“ ist eine Komödie, in der die großartige Valeria Bruni Tedeschi als Insassin einer Psychiatrie zu sehen sein wird.
Valeria Bruni Tedeschi spielt auch an der Seite von Juliette Binoche im französischen Wettbewerbsfilm „Ma Loute“, einer Gesellschaftssatire des Regisseurs Bruno Dumont. Der Franzose Olivier Assayas wiederum teilt sich in seinem Wettbewerbsfilm, der Geistergeschichte „Personal Shopper“, mit Woody Allen die Hauptdarstellerin Kristen Stewart. Diese hat Assayas nach „Die Wolken von Sils Maria“ zum zweiten Mal in einem Film verpflichtet, ebenso wie den deutschen Schauspieler Lars Eidinger.
Gespannt sein kann man zudem auf gleich zwei neue Filme von Cannes-Liebling Jim Jarmusch: „Paterson“, im Wettbewerb, über einen poetischen Busfahrer, gespielt von „Star Wars“-Oberbösewicht Adam Driver, und „Gimme Danger“, ein Dokumentarfilm über die Band The Stooges. Ihr Sänger Iggy Pop wirkte in der Vergangenheit schon in zwei Spielfilmen Jarmuschs als Darsteller mit. Die Liste ist selbstverständlich nicht erschöpfend. Weiteres in Kürze.
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