Totengedenken auf zweierlei Art

Ukraine In Odessa wird an die Opfer des Brandes im Gewerkschaftshaus vor zwei Jahren erinnert

ODESSA taz | Mehrere hundert Bewohner von Odessa haben am Montag vor dem Gewerkschaftshaus der 48 Toten des Brandes vom 2. Mai 2014 gedacht. Doch den Platz vor dem Gewerkschaftshaus „Kulikowe Polje“ dürfen sie nicht betreten. Polizei und bewaffnete Kämpfer des rechtsradikalen Asow-Bataillons haben diesen weiträumig abgeriegelt. Wütend legen die Demonstrierenden ihre Blumen den Polizisten an der Absperrung vor die Füße.

Immer wieder blicken sie zu den Dächern der umliegenden Hochhäuser und winken den dort positionierten Scharfschützen zu. „Wir trauern um Dutzende von Odessiten und die Behörden halten es nicht einmal für notwendig, auch nur eine einzige Fahne mit Trauerflor zu behängen“, sagt eine ältere Dame.

Geduldig versucht ein junger Mann zur Absperrung vorzudringen. „Nur weil ich auf der Arbeit gesagt habe, dass ich heute Blumen zum Gewerkschaftshaus bringe, hat man mich als Separatist beschimpft“, klagt er. Sein Freund bedauert, dass an diesem Jahrestag weniger Menschen zum Kulikowe Polje gekommen seien als im letzten Jahr. „Man hat uns eingeschüchtert. Auf der Arbeit und über die Medien.“

Wie ausgestorben ist das Zentrum von Odessa. Die vorherrschende Farbe auf der menschenleeren Touristenmeile, der Deribasywskas-Straße, ist Olivgrün. Und wer in die Fußgängerzone will, muss sich zuerst bei bewaffneten Uniformierten ausweisen und sein Gepäck kontrollieren lassen.

Zwei Mal wurde am Montag an die Toten des 2. Mai 2014 erinnert. Während man auf dem Kulikowe Pole der in dem Gewerkschaftshaus verbrannten prorussischen Aktivisten gedachte, hatten Gruppen aus dem anderen Lager für den Abend zu einer Gedenkveranstaltung für die proukrainischen Aktivisten aufgerufen. Sie waren am 2. Mai 2014, wenige Stunden vor dem Brand im Gewerkschaftshaus, bei Auseinandersetzungen mit prorussischen Aktivisten getötet worden.

Unterdessen rief ein Facebook-Post eines Abgeordneten und Kommandeurs von Freiwilligenverbänden Wut bei den Protestierenden vor dem Kulikowe Polje hervor. Der 2. Mai sei ein Feiertag, so Ihor Mosiychuk. Die Ukrainer hätten einen ersten Sieg in ihrem nationalen Befreiungskrieg errungen. Mit diesem Triumph, so Mosiychuk, habe man Odessa vor der Aggression der russischen Welt bewahrt. Bernhard Clasen