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„Unser Ziel ist, das Artemis zu schließen“

Prostitution Nach der Razzia sagt Stadtrat Schulte, große Bordelle würden eher genehmigt, kleine seien aber weniger kriminell

Marc Schulte

Der SPDler, 48, ist in Charlottenburg-Wilmersdorf Stadtrat für Stadtentwicklung und Ordnungsangelegenheiten. Er hat Mathematik studiert.

taz: Herr Schulte, die Betreiber des Großbordells Artemis sitzen seit der Razzia am Mittwoch in U-Haft. Sie sollen Sozialabgaben in Höhe von 17 Millionen Euro hinterzogen haben. Auch der Verdacht des Menschenhandels steht im Raum. Sind Sie überrascht?

Marc Schulte: Ich bin nur für das Ordnungsamt zuständig, in in die Strafverfolgung sind wir nicht involviert. Dass es sich bei der Arbeit der Frauen um eine angebliche Scheinselbstständigkeit handelt, haben wir aber vermutet. Deshalb bin ich froh über diese Razzia.

Was für einen Einblick hat man als Bezirksamt in so ein Großbordell?

Das Dilemma ist, dass die Rechtsmaterien sehr getrennt sind. Ich als Stadtrat muss gucken, ob ein Bordell unter baurechtlichen Gesichtspunkten zulässig ist. Ich kann die Genehmigung aber nicht entziehen, wenn gewisse Standards nicht erfüllt werden. Sobald es konkrete Hinweise auf minderjährige Prostituierte oder Menschenhandel gibt, würde ich natürlich am liebsten sofort die baurechtliche Genehmigung entziehen, aber das darf ich nicht.

Warum nicht?

Qualitätsstandards betreffen das Gewerberecht. Das ist der Nachteil, dass diese Dinge rechtlich nicht miteinander verquickt sind. Dazu kommt, dass große Bordelle baurechtlich eher genehmigungsfähig sind, als kleine Bordelle, die in Wohngebieten liegen. Das führt dazu, dass eher „gute“ Bordelle geschlossen werden, als Bordelle, in denen Kriminalität zu vermuten ist.

Haben sich die Sozialarbeiterinnen des Gesundheitsamts vom Anschein des Artemis blenden lassen?

Nein. Aber bei den Besuchen geht es um die Gesundheit der Frauen: Geschlechtskrankheiten, ungewollte Schwangerschaft. Die Sexarbeiterinnen haben ein sehr großes Vertrauensverhältnis zu unseren Mitarbeiterinnen. Es wäre fatal, wenn man das für strafrechtliche Ermittlungen auszunutzen würde.

Das Artemis ist wieder offen. Wie geht es nun weiter?

Unser Ziel ist, dass Artemis durch einen Entzug der Gaststätten- und Herbergskonzession zu schließen. Aber zuvor müssen Stellungnahmen der Betreiber eingeholt werden. In zwei Wochen hoffe ich zu einer Entscheidung zu kommen sind.

Und dann macht irgendwo ein neues Artemis auf?

Oder es tritt eine andere Person als neuer Geschäftsführer auf und stellt einen neuen Antrag. Auch da wäre es nachhaltiger, wenn man dem Grundstückseigentümer die baurechtliche Genehmigung entziehen könnte. Plutonia Plarre

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