piwik no script img

Die alten Exguerilleros bleiben an der Macht

Kuba Mit einem Auftritt Fidel Castros endet der KP-Parteitag. Delegierte bekräftigen Reformagenda, vor allem aber Kontinuität

Aus Havanna Karl Kaufmann

„Erst werde ich den Stimmzettel vom Chef abgeben, dann den meinen“, sagte ein gut gelaunter Raúl Castro, als er am Dienstag zur Wahlurne schritt. Der Chef ist sein älterer Bruder Fidel, der auf dem Parteikongress eine kurze Rede hielt. Präsenz hatte der 89-Jährige Fidel auch in den letzten beiden Wochen vor dem Parteikongress gezeigt und für Spekulationen gesorgt, ob die Reformagenda der „Lineamientos“, also der vor fünf Jahren beschlossenen Wirtschaftsreformen, modifiziert werde.

Doch Rückschritte, wie teilweise befürchtet, wird es nicht geben. Fünfzig zusätzliche „Linea­mientos“ wurden von den 993 Delegierten verabschiedet. Die plädierten für die Weiterführung des Reformkurses, der auf dem letzten Parteitag im April 2011 beschlossen wurde.

Ausdrückliches Ziel ist es, das ökonomische Modell Kubas zu aktualisieren. Für die Implementierung der zusätzlichen und der noch ausstehenden Maßnahmen ist eine permanente Kommission zuständig. Deren Leiter Fernando Lavín Carbonell verwies darauf, dass ein Problem bei der Implementierung der insgesamt 313 „Line­amientos“ auch die fehlende Qualifikation und Schulung der Verantwortlichen gewesen sei.

Ratlos sind beispielsweise auch die Experten wie Juan ­Tri­ana, Ökonomieprofessor der Universität von Havanna und Mitglied der Wirtschaftskommission, wenn es um die Umsetzung der Währungsreform geht. Die Vereinheitlichung der beiden kubanischen Währungen (Nationaler Peso CUP und Devisenpeso CUC) ist ein erklärtes Ziel, doch niemand weiß, wie man den Wechselkurs der beiden so anpassen kann, dass die staatlichen Unternehmen nicht in die Pleite gestürzt werden.

„Wir brauchen mehr Produktivität“, lautet die Standardfloskel der Ökonomen, wenn es um den Wechselkurs geht, denn dem starken an den US-Dollar gebundenen CUC steht ein schwacher nationaler Peso (CUP) gegenüber. Am Wechselkurs vom 1:24 hat sich seit Jahren nichts geändert und der ist ein Beleg für die geringe Produktivität in vielen Branchen.

So sind derzeit Tomaten, trotz Erntezeit, so teuer wie noch nie – ein Pfund kostet rund 25 Peso und damit den Lohn eines Tages vieler Kubaner. Und Bier wird inzwischen aus der Dominikanischen Republik importiert, um die Nachfrage decken zu können.

Wie die Wirtschaft dynamischer werden soll, ist die große Herausforderung der Parteiführung, die im Amt bestätigt wurde. So bleibt Raúl Castro Parteichef, auch wenn er selbst angekündigt hat, als Präsident nur noch bis 2018 zu Verfügung zu stehen.

Sein Bruder Fidel hat sich auf dem Parteitag quasi verabschiedet und für den Erhalt der Revolution geworben – mit brüchiger Stimme am letzten Tag des viertägigen Großereignisses. Er werde nun in diesem Jahr 90 Jahre alt und werde wohl bald an der Reihe sein, aber die Ideen der kubanischen Kommunisten blieben erhalten, sagte Fidel.

Der Parteitag war, sagte Raúl Castro, der letzte seiner Art mit diesem Personal, denn die „historische Generation“ der Barbudos, der Bärtigen, wird in fünf Jahren kaum mehr zur Verfügung stehen.

Die Parteispitze soll sich verjüngen – aber erst auf dem nächsten Parteitag

Dann hoffen selbst kubanische Ökonomen, dass das Reformtempo etwas angezogen wird, denn es geht zwar voran in Kuba, aber unglaublich langsam.

Doch genau darauf hat man sich auf dem Parteitag verständigt – weiter so, aber mit reduziertem Tempo. Angst vor Veränderung könnte dafür ein Grund sein, obwohl die Abstimmung mit den Füßen die Insel der Leute beraubt, die sie für die wirtschaftlichen Reformen dringend braucht, kritisieren Rückkehrer wie Yadiel Aguiar. Der Immobilienmakler ist aus Kanada zurückgekehrt und hat ein Büro mit einem halben Dutzend Angestellten aufgebaut. Internet benötigt er dringend im Büro, aber das ist in Kuba bisher nur ausnahmsweise möglich. Das soll sich zwar ändern, aber wann, ist vollkommen offen.

Das sind Faktoren, die den leichten Aufschwung der Wirtschaft behindern. Pfiffige Kubaner mit Geschäftsideen und Engagement gibt es zuhauf, und die ersten „Compañeros Cuenta Propistas“, Genossen Selbstständige, haben ihren Platz in der Partei gefunden. Neue Töne genauso wie die mutige Analyse, dass ideologischer Unterwanderung durch die USA mit einem erfolgreichen sozialistischen Wirtschaftsmodell durchaus der Boden entzogen werden könne.

Zum Abschluss des Parteitags wurden fünf neue Mitglieder in das Politbüro gewählt, wie die PCC mitteilte. Raúl Castro hatte einen Plan zur allmählichen Verjüngung der Parteispitze vorgeschlagen. So soll bis zum nächsten Parteikongress 2021 ein Höchstalter von 60 Jahren für die Aufnahme von Neulingen in das Zentralkomitee eingeführt werden. Ins Politbüro sollen keine über 70-Jährigen mehr aufgenommen werden, hatte Castro in seiner Eröffnungsrede vorgeschlagen. Dafür muss die Verfassung noch geändert werden. Eine Maßnahme, die in der Debatte nicht überall auf Beifall stieß.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen