Sozialdemokratie in der Hauptstadt: Berliner SPD wird Müllerpartei

Berlins Regierender Bürgermeister Müller wird Landeschef der SPD. Damit hält er sich nach der Wahl am 18. September alle Optionen offen.

Ein Mann, Michael Müller, gestikuliert

Schafft Fakten: Michael Müller Foto: dpa

BERLIN taz | Wenige Monate vor den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus setzt der Regierende Bürgermeister Michael Müller alles auf eine Karte. Auf dem Landesparteitag der Berliner SPD am 30. April will Müller auch den Landesvorsitz übernehmen.

Den hatte bisher der SPD-Linke Jan Stöß inne. Stöß selber hatte im Juni 2012 den damaligen Landesvorsitzenden Müller aus dem Amt gedrängt. Alles bloß eine Retourkutsche? Oder steckt mehr hinter dem innerparteilichen Machtkampf?

„Wir brauchen eine Struktur, die die Kräfte bündelt in der Wahlkampfzeit, aber vor allem für die Zeit danach“, begründete der 51-jährige Müller am Donnerstag seinen Vorstoß. Dabei ließ Berlins Regierungschef durchblicken, dass er sich in der Vergangenheit von Landeschef Stöß nicht immer unterstützt fühlte.

Denn die Berliner SPD, die seit 2011 mit der CDU regiert, ist in schwere Fahrwasser geraten. Dem Skandalflughafen BER, der 2017 eröffnen sollte, droht eine erneute Verschiebung, in Müllers Senatskanzlei wurde ein Auftrag an die Unternehmensberatung McKinsey ohne Ausschreibung vergeben, dazu kommt der Dauerstreit der Koalitionspartner.

SPD nur noch bei 23 Prozentpunkten

Entsprechend mies sind die Umfragewerte für die Berliner SPD, die seit 1989 an jeder Landesregierung beteiligt war. Laut dem jüngsten „Berlin-Trend“, den der RBB veröffentlichte, kommen die Sozialdemokraten nur noch auf 23 Prozentpunkte. Die CDU liegt mit 21 Prozent knapp dahinter, gefolgt von Grünen mit 17, Linken 16 und der AfD mit 13 Prozent. Auch die FDP würde mit 5 Prozent wieder im Berliner Abgeordnetenhaus vertreten sein.

Das Kuriose dabei: Sollten tatsächlich sechs Parteien ins Parlament ziehen, würde es nicht einmal mehr für die Fortsetzung der Großen Koalition reichen. Eine Regierungsmehrheit hätte nur ein Dreierbündnis. Auch Berlin hätte dann Magdeburger Verhältnisse.

Michael Müller, Regierungschef

„Es kann auch zu ungeliebten Bündnissen kommen“

Eine möglicherweise schwierige Regierungsbildung nach den Wahlen am 18. September ist deshalb auch das Hauptmotiv für Müllers Griff nach der absoluten Parteimacht. „Bei knappen Wahlergebnissen kann es eine schwierige Regierungsbildung geben und auch zu ungeliebten Bündnissen kommen“, sagte er. Weil die Koalitionsverhandlungen die Partei führe und nicht der Regierungschef, habe er sich für eine „klare Führungsstruktur“ entschieden.

Müller verwies dabei auch auf andere Bundesländer wie Hamburg oder Brandenburg, in denen SPD-Regierungschefs gleichzeitig Landesvorsitzende ihrer Partei sind. Während der bisherige Landeschef Stöß als Freund eines Bündnisses mit Grünen und Linkspartei gilt, hält sich Müller jede Option offen.

Am Donnerstagnachmittag hat Stöß erklärt, dass er auf eine Kampfkandidatur gegen Müller verzichten werde. Er wolle die SPD nicht in eine Zerreißprobe führen. Etwas anderes blieb ihm auch nicht übrig. Denn Müller hat bereits angekündigt, die 230 Delegierten nicht nur über den Landesvorsitz, sondern auch über die Spitzenkandidatur abstimmen zu lassen. Eine Krönungsmesse mit gleichzeitigem Duell – das ist selbst bei der Berliner SPD undenkbar.

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