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Lokalgröße unter Druck

Marktaufteilung Konzerne gegen „Budni“: Im Verdrängungskampf der Drogeriebranche könnte der Hamburger Platzhirsch zwischen Rossmann und DM zerrieben werden

von Hermannus Pfeiffer

Das Dementi folgte prompt: Kaum hatte Dirk Roßmann im niedersächsischen Burgwedel zu einer eventuellen Übernahme seines Hamburger Konkurrenten Budnikowsky gesagt: „Interesse hätten wir“, da stellte „Budni-Chef Cord Wöhlke auch schon klar: Die Familiengesellschafter würden nicht einmal daran denken, zu verkaufen. Wöhlke: „Offensichtlich sind wir ein attraktives Unternehmen.“ Das ist allerdings bestenfalls ein Teil der Wahrheit in einer lauthals verschwiegenen Branche aus Familienkonzernen, die sich trotz ihrer Größe gerne hinter undurchsichtigen, mittelständischen Rechtsformen verbergen.

Der deutsche Markt gilt unter Branchenkennern als weitgehend „gesättigt“. Wachstums­potenzial bestehe hauptsächlich im Ausland, etwa in Polen und Tschechien oder der Türkei. In Deutschland sind die Lücken, die die spektakuläre Schlecker-Pleite 2012 gerissen hatte, an lukrativen Standorten inzwischen von den Konkurrenten Rossmann, DM, Müller und wenigen lokalen Marktführern wie Budnikowski geschlossen worden.

Gleichzeitig dringen der klassische Lebensmitteleinzelhandel und Discounter immer tiefer in das angestammte Territorium der Drogerieketten ein: Rabattaktionen von namhaften Deos finden sich in den Läden von Aldi, Rewe und Konsorten, ebenso wie Eigenmarken für Shampoos oder Toilettenpapier aus Recyclingpapier. Andererseits kann man Frühstücks­toast, Butter und Honig heute im Drogeriemarkt einkaufen.

Auch die grüne Welle schwappte über die Branche hinweg. Gerade der Hamburger Marktführer Budnikowsky ist darauf lange erfolgreich mitgeschwommen. Dank der Biomarke „Alnatura“. Pikanterweise ist der Chef der Freiburger Biokette, Götz Rehn, geschäftlich und privat mit DM-Gründer Götz Werner verbandelt. Nachdem sich beide Handelsschwergewichte überworfen hatten, beliefert Alnatura seit November Deutschlands größten Einzelhandelsriesen: Edeka.

Budnikowsky leidet nicht allein unter diesem Seitensprung, sondern auch unter einem Zerwürfnis mit DM. Jahrelang waren viele beliebte Budni-Produkte Hausmarken der Karlsruher und man kaufte zusammen in der Industrie ein. Die deutsche Nummer eins nach Umsatz mit bundesweit 1.744 Geschäften expandiert jedoch auch zusehends in der Metropolregion Hamburg. Anthroposoph und Grundeinkommen-Fan Werner hat damit die friedliche Koexistenz aufgekündigt, die in der Branche in Norddeutschland lange Zeit galt.

DM-Geschäftsführer Erich Harsch gibt auf taz-Anfrage allerdings Budni die Schuld an der Scheidung: „Die Zusammenarbeit im Bereich der DM-Marken endete auf Initiative von Budni.“ Expansion der Branchenriesen ist bundesweit jedoch nur noch durch Verdrängungswettbewerb oder den Aufkauf der wenigen regionalen Größen möglich. Als attraktivste Perle im Lande gilt Budnikowsky mit seinen 182 Filialen in der Metropolregion.

Das 1912 von Iwan Budnikowsky im heutigen Harburger Schloßmühlendamm gegründete Unternehmen leidet vor allem unter dem teuren Einkauf. „Größe muss man haben in den Einkaufsverhandlungen“, sagt ein Rossmann-Sprecher der taz. „Als letzter verbliebener Mini-Player hat Budnikowsky es schwer.“

Karlsruher erobern Hamburg

Ein neuer DM-Markt hat am gestrigen Donnerstag in Hamburg-Kirchwerder eröffnet. Es ist bereits die 14. Filiale von DM in Hamburg. Dabei ist die Drogeriekette aus Karlsruhe erst vor sieben Jahren an der Elbe aufgetaucht. Bis dahin galt ein „Nichtangriffspakt“ mit Budnikowsky. Bis Juni sind zwei weitere Eröffnungen geplant.

Abgehängt hat DM in Hamburg inzwischen Kaufland mit seinen acht Filialen, rennt aber Rossmann (37) noch hinterher. Platzhirsch bleibt jedoch Budnikowsky mit 117 Geschäften im Stadtgebiet und einem Marktanteil von laut eigenen Angaben mehr als 50 Prozent.

Wie klein Budni allerdings im bundesweiten Vergleich ist, zeigen die Umsatzzahlen: Laut Bundesanzeiger setzte der Hamburger Marktführer im Geschäftsjahr 2014/15 rund 422 Millionen Euro um. DM machte einen Umsatz von gut neun Milliarden Euro.

Doch während man bei Rossmann den Budni-Fall als „Fußnote“ abtut, gilt manchem Beobachter DM als aggressiverer Akteur. „DM will Budnikowsky zerschlagen, und DM wird Budnikowsky zerschlagen“, unkt ein Branchenbeobachter, der ungenannt bleiben will.

Bei Budni bleibt man optimistisch: „Wir sind aber davon überzeugt, dass unsere tiefe Verwurzelung mit der Region und den Menschen unsere Basis und zugleich Zukunft ist“, sagt eine Sprecherin. „Wir sind das Gegenteil einer anonymen und austauschbaren Handelskette.“

Dass Dirk Roßmann, der gerade in Hannover seine zweitausendste Filiale eröffnet hat, seine Übernahmebereitschaft nun erstmals offen ausspricht, dürfte mit der wirtschaftlichen Situation des Hamburger Platzhirsches zu tun haben. Budnikowsky habe „offensichtlich Probleme“, unkte Inhaber Roßmann, der auch am abstiegsbedrohten Fußballklub Hannover 96 beteiligt ist.

Im Geschäftsjahr 2014/15 hat das Hamburger Unternehmen laut Bundesanzeiger einen Verlust von knapp 2 Millionen Euro eingefahren. Als Grund gibt Budnikowsky die hohen Investitionen in Eigenmarken an. Doch die zahlen sich inzwischen wohl aus: „Unsere Eigenmarken laufen sehr erfolgreich“, so die Sprecherin. Auch andere Händler zeigten „großes Interesse daran“. Damit gebe Budni anderen Mittelständlern die Chance, sich am Markt gegen die „multinationalen Großkonzerne“ zu behaupten.

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