Protest in Frankreich: Die neuen Nachtwächter von links
Die Nuit-debout-Bewegung mitten in Paris lässt sich nicht räumen. Tausende demonstrieren gegen die politischen Verhältnisse.
Paris taz | Am Mittwoch ist auf der Pariser Place de la République der 44. März. Seit die neue Bewegung Nuit debout hier demonstriert, funktioniert auf dem Platz alles anders – auch die Zeitrechnung. Nicht nur die Regierungspolitik, sondern buchstäblich alles, was mit der bestehenden Ordnung zu tun hat, darf und soll hier infrage gestellt werden.
Fast zwei Wochen lang schon herrscht auf dem Platz ein kreatives Chaos. Überall wird improvisiert. Es gibt eine Art Kantine, in der man den Preis für Essen und Getränke selbst festlegt. Per Lautsprecher werden Leute gesucht, die beim Aufräumen helfen. Obwohl die Polizei den Platz am Montag geräumt hat und nun jeden Morgen räumen will, richtet sich der Protest mit der Selbstverwaltung ein.
Noch unlängst hätten viele geschworen, Frankreichs Jugend sei politisch desinteressiert. Doch seit dem Ende einer Demonstration gegen eine liberale Arbeitsrechtsreform am 31. März treffen sich Abend für Abend Tausende im Zentrum von Paris. Deswegen auch die neue Zeitrechnung – die Anhänger zählen seit Beginn der Proteste die Tage im März weiter. Weil die Teilnehmer in der Nacht wach bleiben, heißt die Bewegung Nuit debout.
Der Protest ist neuartig, entzieht sich jeder Vereinnahmung durch Parteien und Gewerkschaften und erinnert an die Indignados. Die protestierten 2011/2012 in Spanien, aus der Bewegung entstand die Partei Podemos.
Klima der Offenheit
Die Nuit-debout-Anhänger sind noch nicht so weit. „Um 18 Uhr beginnt die Vollversammlung, jeder und jede kann das Wort verlangen, die Redezeit beträgt zwei Minuten“, erklärt die 23-jährige Informatikstudentin Clémentine. Unter einem Plakat mit der Aufschrift „Empfang“ gibt sie Neuankömmlingen eine Gebrauchsanweisung für die Basisdemokratie.
In der Debatte auf dem Platz herrscht ein Klima der Offenheit. Zustimmung und Ablehnung werden mit Handzeichen signalisiert. Das Wedeln der erhobenen Händen gilt als Applaus. Gesprochen wird über alles Mögliche. Es gilt die Devise „Es ist verboten, zu verbieten“ aus der Zeit der Studentenrevolte im Mai 1968.
Den Behörden ist das Phänomen nicht geheuer
Auch wer nicht sitzend an der Vollversammlung teilnimmt, wird sofort in Diskussionen verwickelt. Die aus dem Baskenland stammende Caro (25) trägt ein Schild auf dem Rücken, auf dem steht: „Ich bin Feministin, stell mir deine Fragen“. In ihrer Gruppe wird heftig über den patriarchalischen Charakter der Psychoanalyse gestritten. Ein paar Dutzend Meter weiter informiert ein Schild, dass man hier an der Ausarbeitung einer neuen Verfassung mitmachen kann.
Ausgangspunkt von Nuit debout war zwar der Protest gegen die Arbeitsrechtsreform der Regierung des französischen Premiers Manuel Valls. Die Wachgebliebenen wollen sich nicht mit der Politik der Linksregierung abfinden, die ihnen klar zu rechts erscheint. Doch die Bewegung beschränkt sich längst nicht darauf – die Demonstranten üben insgesamt Kritik an den sozialen und politischen Verhältnissen.
Ausweitung nach Marseille, Nantes und Orléans
Die Bewegung muss sich auch mit dem eigenen Vorgehen auseinandersetzen: Weil es am Samstag am Rande der Place de la République zwischen Demonstranten und der Polizei zu Zusammenstößen kam, muss sie ausloten, ob sie solche Konfrontationen sucht, vermeidet oder sich davon distanziert. Den Behörden ist das Phänomen nicht geheuer: Die Ordnungskräfte sind seit Wochenbeginn viel präsenter.
Das Medieninteresse dagegen ist enorm. Mittlerweile treffen sich in vielen weiteren französischen Städten wie Marseille, Nantes und Orléans Menschen zu langen Protestnächten.
Die Bewegung in der Pariser Nacht hat bereits eine neue Hoffnung gebracht – ob dieser französische Frühling konkret etwas ändert, ist die große Frage dieser Tage.
Leser*innenkommentare
Volker Birk
Interessant zum Thema: “Nuit debout” ist eine CIA-Gründung:
http://www.voltairenet.org/article191222.html
Lowandorder
"....ie Bewegung in der Pariser Nacht hat bereits eine neue Hoffnung gebracht – ob dieser französische Frühling konkret etwas ändert, ist die große Frage dieser Tage.
nicht mit Facebook verbunden...
Nö - hier mal nicht so - Eine eine Frage Rum-Unfried-en - gell!
Herr Balmer - hasenpfötig hab ich Sie bisher nicht auf dem Schirm.
Also - Die Wahrnehmung der französichen Jugend ist doch -
Ganz konkret spätestens da geändert - als die Bullerei -
Was vor die Fresse kriegte. Ganz konkret.
Handgreiflicher geht kaum - odr;) &
Luft nach oben ist immer.
Printemps;))
DR. ALFRED SCHWEINSTEIN
Na, hoffentlich kommt es nicht zu einem sacre du.
Schlimmer noch als die Trolle,
die agent provocateurs und die Politkarrieristen,
die sich alsbald unter´s bunte Volk
mischen werden
wie Maden in den Weichkäs,
der noch nicht gegessen ischt,
sich bohren:
Die utopischen Erwartungen, welche die Presse formuliert!
Und hinterher drauf rumhackt,
wenn ihre kühnen Träume
Schäume schlagen.
Es ist ein Happening für le moment,
mehr kann und wird nicht sein.
Wer schlau ist,
genießt ihn jetzt und macht da mit,
weil apres printemps la deluge ...
Lowandorder
Mit Verlaub - da halt ich ganz locker -
Dagegen! - Anders als in ´schland -
Fehlt es bei den Frogs;)) - traditionell -
An Herz&Hirn-Erweichungen ala
Sozialpartnerschaft etc usw usf -
Hollands Scheitern beim hirnrissigen
Verfassungsänderungsdebakel -
Hat´s wieder wunderbar gezeigt.
Also auch Sie - nicht so omahaft -
Unkig-hasenfüßig rumBalmern!
Anders gewendet - Wenn hier gegen
Arbeitsrechtsschrottung etc Demonstrierende Schüler&Studis
Einer brutalisierten asozialen
Polizei - anschließend in der Polizeiwache aufs Maul geben -
Den Sturm der Entrüstung -
Der bürgerlichen/bourgeoisen Parteien
Möchte ich mal erleben - bis hin zu
Den Grünen - Kretschi beede vorweg;))
Citoyen? - können die doch nichemal
Schreiben - Geschweige denn ne
Ahnung -. für heute davon!
kurz - garder la tete froid!;))