CDU-Landesparteitag in Berlin: Die beste Wahl – für die Opposition

Innensenator Frank Henkel soll an diesem Freitag auch offiziell CDU-Spitzenkandidat für die Abgeordnetenhauswahl werden – obwohl er im Amt blass geblieben ist.

Der designierte CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel bei der Vorstellung des Wahlkampf-Logos für die Abgeordnetenhauswahl am 18. September. Foto: dpa

Die Jobalternative für Frank Henkel ist schon da, falls es im Herbst mit der Zeit als Innensenator vorbei ist: Entspannungstherapeut könnte er werden. Dieser Tage erzählte CDU-Generalsekretär Kai Wegner, er ärgere sich ja oft über den Koalitionspartner SPD und telefoniere dann mit Henkel. „Er beruhigt mich immer sehr“, bescheinigte Wegner seinem Parteivorsitzenden. Henkel hält das mit der Job­alternative indes nicht für nötig. Im Gegenteil: Der Innensenator rückt nicht davon ab, dass er nach der Abgeordnetenhauswahl Mitte September nicht nur im Senat bleiben, sondern auch Regierender Bürgermeister werden will.

Das grenzt ein bisschen an Realitätsverweigerung, jedenfalls angesichts der aktuellen Meinungsumfragen: Gegenwärtig würden nur 19 Prozent für die CDU stimmen. 8 Prozentpunkte liegt sie damit hinter der SPD. Und aus dem Wahlziel „stärkste Partei“ könnte am Ende nur Platz 3 werden, denn die Grünen liegen mit 18 Prozent nur knapp hinter der CDU. Henkel begegnet dem mit dem Satz, der in solchen Situation von Politikern aller Parteien zu hören ist: „Umfragen sind keine Wahlergebnisse.“

Dass die Lage so schlecht ist, daran ist Henkel selbst schuld. Der Bundestrend arbeitet zwar auch im Land Berlin gegen die CDU, und nur von vormaligen Wählern der SPD, Linken und Grünen kann die aktuelle starke Unterstützung für die AfD nicht kommen, die in Berlin mittlerweile bei 9 Prozent liegt. Doch seit Beginn der rot-schwarzen Koalition 2011 hat der Innensenator nicht vermittelt, dass er echte Akzente setzt, Themen vorantreibt oder bei der Bewältigung der Flüchtlingsankünfte eine große Hilfe wäre. Oder auch bloß – ganz praxisnah – nicht immer nur die Bezirke dafür verantwortlich machen würde, dass es kaum Termine im Bürgeramt gibt.

Auch enttäuschte CDUler

Das war in den ersten Jahren von Rot-Schwarz nicht so schlimm, weil die als Ruhe und Besonnenheit verklärte Akzentlosigkeit besser ankam als der Zoff in der SPD, vor allem um die Nachfolge von Klaus Wowereit, der 2014 als Regierungschef abdankte. Doch seit dessen Nachfolger Michael Müller fest im Amt ist, sieht das anders aus. Henkel betont zwar Mal um Mal, für wie viele neue Polizisten er gesorgt habe. Nicht nur die Grünen aber spotten, dass diese neuen Beamten auf den Straßen nicht zu sehen seien.

Für viele seiner eigenen Leute wiederum ging Henkel viel zu spät gegen Dealer im Görlitzer Park vor, ließ sich auch in Sachen ­Oranienplatz-Besetzung viel zu lange von der SPD hinhalten. Und gibt es dann einen massiven Polizeieinsatz – der auch der eigenen Klientel zeigt: Wir tun was! –, so fällt er wie in der Rigaer Straße völlig überzogen aus.

Dennoch soll Henkel beim CDU-Parteitag an diesem Freitag wie 2011 Spitzenkandidat für die Abgeordnetenhauswahl am 18. September werden, und das mit Anwesenheit und Rückendeckung von CDU-Bundeschefin Angela Merkel. Wobei das nur noch ein offizielles Absegnen dessen ist, was Generalsekretär Wegner schon vor einem Jahr festlegte, als er Henkel bereits zum Spitzenkandidaten ausrief.

Dass die Berliner Christdemokraten ihren Parteitag an diesem Freitag im Umspannwerk in der Voltairestraße abhalten, soll auch symbolische Bedeutung haben: Der Tagungsort liegt zwischen der Innenverwaltung und dem Roten Rathaus, also dem jetzigen und dem gewünschten Dienstort von Innensenator Frank Henkel. Er, der die Berliner CDU seit 2008 führt und seit Langem designierter Spitzenkandidat ist, soll dabei auch offiziell die Nr. 1 der CDU für die Abgeordnetenhauswahl werden. Inhaltlich lässt sich die Partei noch Zeit: Ihr Wahlprogramm will sie erst bei einem weiteren Parteitag Mitte Juli beschließen. (sta)

Andere wollen (noch) nicht

Inzwischen aber sind immer wieder Stimmen zu hören, die sich einem anderen Kandidaten wünschen. Leise natürlich. Und meist nur vertraulich. Wegners Name ist einer, der dabei fällt. Aber der steht nibelungengleich zu Henkel – vielleicht weil Wegner als neun Jahre Jüngerer weiß, dass seine Zeit beim nächsten Mal sowieso kommt.

Monika Grütters wünschen sich seit Langem all jene an die Spitze, die ihre CDU zu einer echt liberalen Großstadtpartei machen wollen. Doch Grütters ist seit 2013 in ihrem Traumjob als Bundeskulturministerin. Den aufgeben, um nach der Wahl im Herbst wieder wie vor über einem Jahrzehnt im Landesparlament zu sitzen, wenn auch erstmals als Oppositionsführerin? Keine verlockende Aussicht.

In der CDU hält man Henkel immer noch zugute, dass er einen in sich völlig zerstrittenen Landesverband wieder zusammenführte, nachdem er 2008 Parteichef und Fraktionsvorsitzender wurde. Doch das ist inzwischen schon siebeneinhalb Jahre her, und nur mit geeinten rund 12.400 Berliner CDU-Mitgliedern gewinnt man keine Wahl. Das alles lässt einen verdutzt dreinschauen, wenn man Kai Wegner über den heutigen Parteitag sagen hört, man werde da eine „richtig gute Stimmung in unserer Partei spüren“.

Und der Opposition kann nicht viel Besseres passieren als ein CDU-Spitzenkandidat Henkel. Mit der als Ministerin hoch gelobten Grütters mit ihrer positiven Ausstrahlung oder auch mit dem so moderaten wie eloquenten Parteivize Thomas Heilmann an der CDU-Spitze ließe sich nicht so einfach fertig werden wie mit Henkel, der sich leicht als ideen- und glückloser Law-and-order-Mann attackieren lässt.

„Schlechter kann man es einfach nicht machen“, sagt der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Benedikt Lux: Und was die von Henkel immer und immer wieder betonte Gelassenheit angeht: „Auf mich wirkt er mehr wie ein betäubter Boxer in der 12. Runde, der bloß nicht umfallen will.“ Boxer war Henkel in Jugendjahren tatsächlich mal. Aber angeschlagen? Davon will der CDU-Chef kurz vor dem Parteitag nichts wissen: „Machen Sie sich keine Gedanken über meine mentale Verfassung.“

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