: Cannabis-Anbau für Schwerkranke erlaubt
Gericht Nicht nur Gebrauch des Rauschmittels ist künftig erlaubt, sondern auch eigene Herstellung
Die bisherige Praxis des Bundesgesundheitsministeriums, unheilbar Kranken den Eigenanbau von Cannabispflanzen zu medizinischen Zwecken pauschal zu verbieten, sei unzulässig, erklärten die obersten deutschen Verwaltungsrichter.
Die Entscheidung kommt einem Paukenschlag gleich. Sie legalisiert nicht nur den Konsum, sondern auch – im begründeten Ausnahmefall – den Anbau von Cannabis in privaten Wohnungen zu medizinischen Zwecken. Die Begründung des Gerichts: Solange unheilbar Kranken, etwa Krebspatienten, bar jeder Therapiealternative, Medizinalhanf oder andere cannabishaltige Medikamente von den Krankenkassen nicht erstattet bekommen und selbst nicht bezahlen können, so lange sei ihre einzige Chance auf Schmerzlinderung, die Pflanzen selbst zu züchten.
Vernichtender könnte die Kritik durch ein Gericht am bisherigen Umgang des Bundesgesundheitsministeriums mit Schwerkranken kaum sein. Über Jahre hatte die dem Ministerium unterstellte Aufsichtsbehörde, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Anträge auf Cannabis-Eigenanbau zur Schmerzlinderung pauschal abgelehnt. Lediglich Sondergenehmigungen wurden erteilt.
Gegen diese Praxis geklagt hatte ein heute 52 Jahre alter, inzwischen früh verrenteter Fliesenleger aus Mannheim. Seit 1985 leidet er an Multipler Sklerose. Die Symptome seiner Erkrankung, die sich vor allem in Störungen der Motorik, des Gangs und der Sprache sowie einer Depression äußern, behandelt er seit bald 30 Jahren mit Cannabis. Aus Kostengründen – von seiner Erwerbsunfähigkeitsrente von 891,64 Euro kann er den Medizinalhanf aus der Apotheke nicht bezahlen; er baut die Pflanzen in seiner Wohnung selbst an.
Strafrechtlich ist der Cannabis-Anbau Patienten in Deutschland paradoxerweise bereits seit mehr als zehn Jahren erlaubt: Vom Vorwurf des strafbaren Besitzes und Anbaus von Betäubungsmitteln wurde der an Multipler Sklerose erkrankte Mann bereits 2005 freigesprochen. (Az.: BVerwG 3 C 10.14)
Heike Haarhoff
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