: Flüchtling, Arbeit? Abgelehnt.
INTEGRATION Fast 600 Flüchtlinge durften 2015 nicht arbeiten, weil Deutsche und EU-Bürger vorgehen. Der Senat will dieses Bundesgesetz abschaffen.
Anerkannte Asylbewerber in Bremen sollten sich schnell integrieren können – so allgemein würden das wohl alle Parteien unterschreiben, die noch bei Trost sind. Doch: Nur die Wenigsten werden sofort anerkannt, viele erhalten nur eine „Duldung“. Neben dem Zugang zu Deutschkursen ist ihnen auch der zum Arbeitsmarkt erschwert: Bevor sie sich wie ihre deutschen Nachbarn ihren Unterhalt selbst verdienen können, brauchen sie in vielen Fällen eine Arbeitserlaubnis. Und für die gilt: die Vorrangprüfung. Mehreren hundert Neu-BremerInnen hinderte das im letzten Jahr, einen Job aufzunehmen.
Bevor die Agentur für Arbeit einem Ausländer erlaubt zu arbeiten, wird geprüft, ob die Stelle nicht auch von einem Deutschen oder EU-Ausländer übernommen werden kann. Seit Jahren ist dadurch Praxis, was Neonazis dessen ungeachtet bis heute fordern: dass Arbeit „zuerst an Deutsche“ vergeben werden soll.
Einig ist sich der Bremer Senat, dass diese „Vorrangprüfung“ einer „gewünschten schnellen Integration in den Arbeitsmarkt entgegenstehen kann“. Bremen setzte sich auf Bundesebene für die Abschaffung ein, heißt es in einer Antwort des Senat auf eine kleine Anfrage der FDP. Die wollte unter anderem wissen, wie vielen Menschen auf Grund der Vorrangprüfung in Bremen nicht erlaubt wurde zu arbeiten.
1.162 Überprüfungen nahm das Arbeitsamt im Jahr 2015 vor, erklärte nun der Senat. In 528 Fällen wurde die Zustimmung verweigert. Neben möglichen „bevorrechtigten Bewerbern“ wird auch gepfrüft, ob es sich bei der Stelle um „vergleichbarer Arbeitsbedingungen“ handelt, Ausländern also nicht die letzten Drecksjobs angeboten werden.
Eine Ablehnung heißt für die Arbeitswilligen: warten. Denn die Beschränkung wurde zuletzt auf eine Zeit von 15 Monaten reduziert - wer länger in Deutschland ist, darf malochen. Warten mussten laut Senat auch 2.238 Asylsuchende, die zum Stichtag 15. März 2016 kürzer als drei Monaten in Deutschland waren. Für sie gilt ein pauschales Beschäftigungsverbot.
Die FPD schließt sich Forderungen der Arbeitgeberverbände an, die Vorrangprüfung abzuschaffen. Ebenso allerdings hatte Fraktionsvorsitzende Lencke Steiner vorgeschlagen, Flüchtlinge wie Langzeitarbeitslose auch vom Mindestlohn auszunehmen.
Für keine gute Idee hält das Markus Saxinger vom Bremer und Bremerhavener Integrationsnetz (BIN), das seit Jahren arbeitssuchende Flüchtlinge unterstützt. „Ich halte das für riskant, weil es Flüchtlinge und andere Arbeitnehmer gegeneinander ausspielt“ sagt Saxinger der taz. „Insgesamt sehen wir durchaus eine Offenheit bei den Arbeitgebern, Flüchtlinge in reguläre Arbeit aufzunehmen.“ Vor allem beim Sprachangebot für Flüchtlinge aber gebe es nach wie vor zu wenig Angebote und zu lange Wartezeiten. jpb
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