: „Machen, statt nur zu schnacken“
Sichtbarkeit Die Web-Branche wird öffentlich fast nur von Männern repräsentiert. Der Verein Digital Media Women bringt nun Frauen auf die Konferenzbühnen und bildet sie weiter
von Leonie Habisch
Anke Nehrenberg langweilt sich nicht. Die 36-Jährige zeigt Verlagen, wie Online-Marketing geht, läuft Marathons und reist mit dem Motorrad um die halbe Welt. Nebenbei kämpft die gebürtige Saarländerin und heutige Wahl-Hamburgerin ehrenamtlich dafür, dass die Webbranche nicht mehr fast ausschließlich von Männern repräsentiert wird.
Die studierte Informations- und Kulturwissenschaftlerin gehört zu den Digital Media Women (DMW). Als gemeinnütziger Verein mit fünf Standorten, darunter auch Hamburg, bringen die DMW Frauen auf Konferenzbühnen. Auf Konferenzen knüpfen WebdesignerInnen und PR-ManagerInnen Geschäftskontakte und lernen die neuesten Entwicklungen kennen. So bildet man sich in der digitalen Branche weiter und macht sich einen Namen.
2010 ärgerte sich DMW-Gründerin Carolin Neumann über das Geschlechterverhältnis auf einer Branchenkonferenz. Dort hätten Frauen auf einer separierten Bühne „das übliche Feminismus-Geplänkel“ von sich gegeben, anstatt als Expertinnen von ihrer Arbeit zu berichten, empörte sich Neumann in ihrem Blog, bevor sie die Digital Media Women ins Leben rief.
Seitdem haben die DMW ein Netzwerk mit 5.000 Menschen aufgebaut, sitzen im Beirat des Reeperbahn-Festivals und bilden ihre Mitglieder mit Workshop-Abenden, so genannten „Academys“ weiter. Etwa fünf Academys pro Jahr organisiert Nehrenberg in Hamburg. Vor drei Jahren kam die Unternehmensberaterin durch einen Freund zu den Digital Media Women und ist seitdem aktiv dabei.
Durch die Academys sollen die DMW-Mitglieder ihr Wissen teilen, sagt Anke Nehrenberg. Zum anderen können sich Frauen „im kleinen Rahmen als Sprecherin oder Workshop-Leiterin ausprobieren, bevor sie auf Konferenzen vor großem Publikum auftreten“. Die Academys vermitteln funktionales Wissen an die TeilnehmerInnen und geben der Leiterin die Möglichkeit, sich zu präsentieren.
Anke Nehrenberg
TeilnehmerInnen aus Berufsfeldern wie Web-Design, Online-Journalismus und Marketing im Alter zwischen Anfang 20 und Mitte 50 treffen sich zu einem Workshop. In den Pausen lernen sie GeschäftspartnerInnen kennen. Die nächste Academy findet am 22. April im Hamburger Betahaus statt. Redenschreiberin Daniela Schulz referiert über den perfekten Pitch – wie man schnell erklärt, was man tut und warum das wichtig ist. Für 69 Euro kann man sich unter digitalmediawomen.de anmelden.
„Was uns alle vereint, ist Digital Media, wir sind aber nicht nur Frauen“, sagt Nehrenberg. Etwa zehn Prozent Männer seien auf jeder Veranstaltung. Über einen Fragebogen, der am Ende der Academys verteilt wird, holt die Unternehmensberaterin das Feedback der TeilnehmerInnen ein. Das sei meist so positiv, die Nachfrage nach weiteren Veranstaltungen so hoch, dass sie mit neuen Angeboten kaum hinterherkomme. Ihr Erfolgsprinzip dabei: „Wenn du zur Academy kommst, kannst du danach was, was du vorher nicht konntest oder weißt was, was du nicht wusstest.“
Das habe sich rumgesprochen, DMW sei inzwischen so etwas wie „ein Gütesiegel“, sagt Nehrenberg. In Zukunft möchte sie ein regelmäßiges Programm anbieten. Das sei schwer umzusetzen. Mit zwei Freunden plant sie die Gründung einer Beratungsgesellschaft. Ehrenamtlich baut sie mit der Initiative Freifunk kostenlos zugängliches Internet für Flüchtlinge auf und will zudem mithelfen, die DMW zur ersten Adresse für Unternehmen zu machen, die Leiterinnen für Fortbildungen buchen wollen. Frei nach dem Motto: „Wir machen, statt zu schnacken!“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen