piwik no script img

Heute in Hamburg"Die Fehler reparieren"

GRENZENLOS Im Körberforum wird über eine gemeinsame Flüchtlingspolitik der EU gestritten

Foto: Heinrich-Böll-Stiftung
Ralf Fücks

64, war Bremens Senator für Stadtentwicklung (Grüne) und ist im Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung.

taz: Herr Fücks, woran scheitert die europäische Flüchtlingspolitik gerade?

Ralf Fücks: Ob sie scheitert, lässt sich noch nicht sagen. Das Dublin-Verfahren zur Verteilung von Flüchtlingen in Europa konnte nur bei wenigen Menschen funktionieren. Es war blauäugig zu glauben, man könne die Schengengrenzen schleifen lassen, ohne die Außengrenzen der EU zu sichern. Jetzt wird versucht, diesen Fehler zu reparieren.

Was müssen die EU-Staaten denn nun machen?

Idealerweise sollten sie viel stärker die Fluchtursachen bekämpfen. Sie sollten eine politische Initiative zur Beendigung des Syrien-Krieges und zur Stabilisierung des Nahen Ostens gründen. Es ist richtig, mit der Türkei über ein Abkommen zu verhandeln.

Sind die Forderungen der Türkei, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, wenn die EU zahlt, ein gutes Zeichen?

Ein gutes Zeichen ist, dass überhaupt über eine Gemeinschaftslösung verhandelt wird. Aber die Inhalte sind zu engherzig: Es geht mehr um Abschottung als um eine humane Regelung. Offensichtlich bekommt man nicht alle 28 EU-Staaten unter einen Hut. Es läuft auf eine europäische Minimallösung hinaus.

Wie kann die EU erfolgreiche Flüchtlingspolitik machen?

Mir fehlt die Fantasie, mir vorzustellen, dass die nationalen Souveränitäten an die EU übertragen werden können. Der Entscheidungsprozess darf nicht an Brüssel abgegeben werden.

Welches Problem haben so viele EU-Staaten damit, Flüchtlinge aufzunehmen?

Vor allem einige mitteleuropäische Staaten sind erst seit Kurzem souverän und wollen ihre Nation nicht multikulturell definieren. Ich finde die Motive nicht gut, wir müssen sie aber zur Kenntnis nehmen.

Was bedeutet es für die Flüchtlinge, die nach Europa kommen, wenn eine gemeinsame Flüchtlingspolitik scheitert?

Ich setze darauf, dass alle Staaten bereit sein werden, zumindest symbolisch einige Flüchtlinge aufzunehmen. Den Löwenanteil werden aber Deutschland und wenige andere übernehmen müssen.

Was passiert mit Deutschland, wenn es keine europäische Lösung gibt?

Es wird eine geben, wenn auch keine schöne.

Interview: Johanna von Criegern

Streitgespräch „Scheitert Europa in der Flüchtlingspolitik?“ mit Ralf Fücks, Stefan Kornelius (Süddeutsche Zeitung) und Richard Sulik (Partei Freiheit und Solidarität): 19.30 Uhr, Körberforum, Kehrwieder 12

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen