: Ziemlich viele Verlierer
Rechtspopulisten Der Erfolg der AfD bei der Kommunalwahl in Hessen schockt die etablierten Parteien. Am Tag nach der Abstimmung suchen sie nach Erklärungen
aus Frankfurt Christoph Schmidt-Lunau
Blankes Entsetzen herrscht bei den CDU-Prominenten im Foyer des Frankfurter Römers am Sonntagabend, als die ersten Zahlen zur Kommunalwahl über die Bildschirme flimmern. Ihre Kollegen von den Grünen verfolgen das Desaster lieber in ihren Fraktionsräumen. Die schwarz-grüne Koalition, die seit zehn Jahren Frankfurt regiert, hat zusammen fast 17 Prozentpunkte und damit ihre Mehrheit verloren. Die AfD punktet mit 10,3 Prozent auf Anhieb zweistellig bei bescheidenen Gewinnen von FDP, SPD und Linken.
Die grünen Wahlverlierer setzen ihre letzten Hoffnungen am Wahlabend auf die noch nicht ausgezählten Wahlzettel. Bislang sind lediglich die Listenkreuze ausgezählt. Alle Zettel, auf denen WählerInnen von der Möglichkeit des Kumulierens und Panaschierens Gebrauch gemacht haben, müssen noch ausgewertet werden. Dadurch können sich in den kommenden Tagen noch Verschiebungen ergeben. Doch vorerst sieht für die Grünen alles nach einem Totalverlust aus. Die vier hauptamtlichen DezernentInnen der Partei könnten ihre Posten verlieren und die Grünen erstmals seit 1989 in der Opposition landen.
Die CDU bleibt vorerst im Frankfurter Römer wie im Land (28,2 Prozent) knapp stärkste Partei. Die SPD legt in Frankfurt zu, verliert landesweit aber ebenfalls und landet knapp hinter der Union (28 Prozent). Die Grünen erreichen nach Verlusten noch 11,6 Prozent. FDP und Linke können zulegen.
Doch der große Erfolg der AfD bringt eine Woche vor den Landtagswahlen in drei Bundesländern die Mehrheitsverhältnisse in den meisten hessischen Kommunalparlamenten vollkommen durcheinander. Katerstimmung deshalb am Tag danach in der Landeshauptstadt Wiesbaden. „Gruselig, schrecklich“ nennt die Grünen-Landesvorsitzende Daniela Wagner das Ergebnis. „Breitseitig“ werde man sich die AfD vornehmen.
Von einer „klassischen Protestwahl“ spricht der CDU-Landesvorsitzende und Ministerpräsident Volker Bouffier. Er deutet nach Berlin: Der Streit über die Flüchtlingskrise sei nicht hilfreich gewesen, sagt er. Mit der schwarz-grünen Landesregierung habe das Ergebnis jedenfalls nichts zu tun. Die Linke Janine Wissler fordert denn auch die AfD auf, eine Dankeskarte an CSU-Chef Horst Seehofer zu schicken. Zerknirscht äußert sich auch die hessische SPD-Generalsekretärin Nancy Faeser: Die WählerInnen hätten offenbar den etablierten Parteien „etwas mitgeben“ wollen. Sie freut sich über den Verlust der schwarz-grünen Mehrheit in Frankfurt. Dass allerdings auch die rot-grünen Mehrheiten in Marburg und Kassel verloren gingen und in Frankfurt und Wiesbaden nicht einmal eine Große Koalition möglich ist, muss ihr zu denken geben.
Dennoch gab es zumindest bei der SPD in Frankfurt am Sonntagabend noch eine kleine Feier. Im Haus am Dom jubelten die Sozialdemokraten ihrem Spitzenkandidaten Mike Josef und dem vor vier Jahren direkt gewählten SPD-Oberbürgermeister Peter Feldmann zu. Zum ersten Mal seit 27 Jahren haben die Sozialdemokraten in ihrer einstigen Hochburg dazugewonnen. „Ohne uns geht im Römer künftig nichts“, rief der SPD-Spitzenkandidat selbstbewusst.
Noch hofft er, dass die SPD nach dem Auszählen der restlichen Stimmzettel in Frankfurt noch zur stärksten Partei aufrückt. Ungetrübte Freude kommt aber auch bei ihm nicht auf. „Die niedrige Wahlbeteiligung und das Ergebnis der AfD sind eine Klatsche für uns alle“, sagt er der taz.
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