Kommentar Jagd auf Frauen in Kiel: Wir haben ein Problem

Zu sexuellen Übergriffen kam es im Kieler Einkaufszentrum zwar nicht, über falsche Frauenbilder muss dennoch gesprochen werden.

Eine junge Frau hält auf einer Demo ein Schild mit einem Venussymbol hoch.

Wir müssen (immer noch) reden: Demonstrantinnen auf dem Internationalen Frauentag 2015 in Berlin. Foto: imago/IPON

Männer machen in einem Einkaufszentrum Jagd auf Frauen, fotografieren sie, bedrängen sie, ihre Gruppe wird immer größer. Ein Albtraum. Doch die Situation im Einkaufszentrum Sophienhof in Kiel war, soweit man bisher weiß, nicht vergleichbar mit der in Köln in der Silvesternacht. Es gab wohl keine sexuelle Gewalt. Nur liest man solche Vorfälle inzwischen auf der Folie von Köln: Wer weiß, was noch hätte kommen können, als die Übermacht von Männern Frauen massiv belästigte? Macht Köln vielleicht sogar Schule?

Es fällt schwer, angesichts der nichtdeutschen Herkunft der Männer nicht in die alten Ängste vor dem dunklen Mann zu verfallen, der die weißen Frauen entehrt. Eine Angst, die quasi schon bereitliegt, weil die Zahl der Flüchtenden so beunruhigend groß ist. Überwältigungsfantasien stellen sich ein. Wenn man ihnen folgt, landet man in Blochers Schweiz, wo die geringste Straftat für eine zwingende Ausweisung der Geflüchteten ausreichen sollte.

Wer sich einen Rechtsstaat immer anders vorgestellt hat, kann aber auch nicht ins reine Relativieren verfallen. So richtig es ist, auf die Ausweitung von sexueller Belästigung auch in der Mehrheitsgesellschaft hinzuweisen – es gibt offenbar Einwanderer mit einem größeren Problem.

Sind sexuelle Übergriffe der Normalfall? Wir baten unsere KollegInnen, von ihrem Heimweg zu berichten – und erhielten sehr viele Antworten.

Wir rufen Sie dazu auf, uns Ihre Geschichte zu erzählen, falls Sie Ähnliches erlebt haben. Schreiben Sie an: heimweg@taz.de. Die zuständigen Redakteurinnen Waltraud Schwab und Steffi Unsleber behandeln Ihre Mails vertraulich. Auf dem taz-blog Der Heimweg veröffentlichen wir die Berichte. Natürlich nur, wenn Sie der Veröffentlichung zustimmen.

Es liegt ein Weltbild vor, in dem Frauen nur als Sexualobjekte ohne eigenen Willen vorkommen. Die alte muslimische Sexualunterdrückung samt Unterordnung der Frau und Geschlechtertrennung lässt grüßen. In der Mehrheitsgesellschaft ist dieser sexistische Blick natürlich ebenso vorhanden, nur eben sehr viel verstellter und verborgener.

An diesem Frauenbild muss gearbeitet werden, und zwar kräftig. Von allen. Und es gibt eine Gruppe, die besonders viel Einfluss auf die Zugewanderten hätte: Wir würden einen Riesenschritt geschafft haben, wenn die deutschen muslimischen Verbände anfingen, mit den Neuankömmlingen über echte Gleichberechtigung von Frauen zu sprechen.

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Jahrgang 1968, ist seit langem Redakteurin für Geschlechterpolitik in der taz und im kulturradio vom RBB. Von ihr erschien unter anderem das Buch „Der Kopftuchstreit. Das Abendland und ein Quadratmeter Islam“. 2009 wurde sie mit dem Preis „Der lange Atem“ des Journalistenverbands Berlin Brandenburg für die Berichterstattung über Geschlechterstereotype ausgezeichnet.

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