Zika-Virus

Gentechnisch verändert, radioaktiv bestrahlt oder mit Chemikalien besprüht: Wie kann man die Zika-Mücke am besten stoppen?

Das fliegende Selbstmordkommando

SEUCHEN Forscher haben im Kampf gegen Krankheiten Mücken gentechnisch so umgebaut, dass deren Nachkommen sterben. Doch Gegner sind skeptisch

Born to destroy: Genmodifizierte Exemplare der Stechmücke Aedes aegypti aus dem Oxitec-Labor. Brasilien im Februar 2016 Foto: Andre Penner/ap

Von Jost Maurin

BERLIN taz | Die britische Firma Oxitec will das Zika-Virus mit gentechnisch veränderten Mücken bekämpfen. „Wir können die Population des wichtigsten Krankheitsüberträgers, der Stechmückenart Aedes aegypti, auf ein Niveau senken, bei dem man keine Ansteckungen mehr erwartet“, sagte Oxitec-Chef Hadyn Parry der taz. Denn das Oxforder Unternehmen hat ins Erbgut der Männchen ein Gen eingefügt, das seine Nachkommen bereits als Larve oder Puppe sterben lässt. Oxitec will diese Insekten etwa in Städten freilassen, damit sie sich mit normalen Weibchen paaren, so ihr „Selbstbegrenzungs-Gen“ weitergeben und die Population einbrechen lassen. Die Männchen sind keine Gefahr für den Menschen, weil nur die weiblichen Mücken stechen. Doch Gentechnik-Kritiker warnen vor unkalkulierbaren Risiken des Projekts.

Zika grassiert derzeit vor allem in Lateinamerika und hat allein in Brasilien 500.000 bis 1,5 Millionen Menschen infiziert. Das Virus steht im Verdacht, bei Föten Hirnfehlbildungen zu verursachen. Aedes aegypti überträgt aber auch teils tödliche Viren wie Gelbfieber, Dengue und Chikungunya. Für keine der Krankheiten gibt es Therapien, impfen kann man nur gegen Gelbfieber. Deshalb bekämpfen die betroffenen Länder die Überträger-Mücken: Potenzielle Brutplätze wie Eimer, Blumentöpfe oder nicht benutzte Reifen werden geleert, damit dort kein Wasser steht, in dem die Mücke ihre Eier ablegen kann. Zudem sprühen Helfer Insektengift.

Doch oft sind solche Maßnahmen schwer flächendeckend durchzusetzen. Umstritten ist auch, wie die Insektengifte auf Gesundheit und Umwelt wirken. Zudem können die Mücken langfristig resistent werden gegen die Chemikalien.

Das sind auch Argumente, die Oxitec für seine Gentech-Mücken anführt. Die Methode ist vergleichsweise weit entwickelt: Es gab bereits Feldversuche in freier Wildbahn auf der Karibikinsel Grand Cayman, in Malaysia und in Brasilien. Jetzt fehlt nur noch eine Vermarktungserlaubnis der brasilianischen Behörden.

Gentechnik-Gegner sehen den Oxitec-Vorschlag sehr kritisch. Zum Beispiel der Chef des in der Bewegung sehr einflussreichen Vereins Testbiotech, Christoph Then. Oxitec wolle „die Notlage der Bevölkerung vor Ort für ihre Geschäftsinteressen nutzen“, schreibt er der taz. Dabei sei noch zu unsicher, ob Zika die Missbildungen bei Kindern verursacht. Ob das Virus also überhaupt so gefährlich ist, dass man die Risiken eingehen sollte, die mit einer neuen Technik immer verbunden sind. Es sei zudem „nicht klar, welche Erfolge Oxitec mit seinen Mücken erzielen kann“. Es gebe nur eine wissenschaftliche Publikation, die zeigt, dass die Mückenlarven in den Einsatzregionen weniger werden. „Dafür steigen die Zahlen in der benachbarten Vergleichsregion aber an – es könnte sich also auch nur um vorübergehende Verdrängungseffekte handeln.“

Der Aktivist warnt auch vor möglichen Nebenwirkungen. Denn für einen flächendeckenden Einsatz müssten Milliarden der Mücken gezüchtet und freigesetzt werden. „Die Wahrscheinlichkeit, dass da unerwünschte Mutanten dabei sein dürften, ist statistisch schwer von der Hand zu weisen.“ Es sei denkbar, dass diese noch leichter Krankheiten übertragen.

Oxitec-Chef Parry hält solche Einwände für „Gruselgeschichten“. Keine Aufsichtsbehörde habe „bedeutende Risiken“ festgestellt. Bei seinen Feldversuchen analysierte Oxitec auch die Mückenpopulation in benachbarten Gebieten. Die Zahl der Insekten dort sei nicht gestiegen, widerspricht Parry Kritikern. In den „behandelten“ ­Regionen jedoch „haben wir die Aedes-­aegypti-Population in sechs Monaten um über 90 Prozent reduziert.“ Das sei auch in mehr als einem Fachartikel beschrieben worden. Mit Insektengiften liege die Erfolgsrate in der Regel nicht über 30 bis 50 Prozent. Unerwünschte Mutationen schließt Parry aus.

Auch Parry weiß, dass ­bislang kein hinreichender Beleg vorliegt, dass Zika die Mikro­zephalie verursacht. Aber die Hinweise darauf nehmen laut Weltgesundheitsorganisation zu. Und Parrys Mücken wirken ja auch gegen die Übertragung etwa von Dengue, das nachweislich rund 22.000 Menschen pro Jahr tötet. Dennoch kommt das Mücken-Projekt seit Mitte 2014 kaum voran. Damals beantragte Oxitec nach eigenen Angaben in Brasilien, die Gentech-Insekten zu vermarkten. Doch die zuständige Behörde hat bislang nicht entschieden.

Das ist Zeit, die die Konkurrenz nutzt. Die Atomenergiebehörde (IAEO) und die Agrarorganisation der Vereinten Nationen fördern Projekte, um männliche Mücken durch radioaktive Bestrahlung zu sterilisieren. „Wir haben zahlreiche Studien durchgeführt, die zeigen, dass bestrahlte Männchen mit fruchtbaren Männchen konkurrieren können, um sich mit Weibchen zu paaren“, teilte die IAEO der taz mit. Oxitec-Chef Parry jedoch wendet ein, die IAEO habe mit den sterilen ­Aedes aegypti keine Feldversuche im Freien gemacht. Deshalb sei unklar, ob die bestrahlten Mücken wirklich fit genug seien, um sich gegen normale Männchen durchzusetzen. „Wir dagegen machen seit 2009 Tests im Freien“, so Parry.

Die IAEO-Lösung hat aber einen Vorteil: Die Behörde bietet ihre Technologie gratis an – Oxitec dagegen will sich die Nutzung seiner Patente versilbern lassen. Berater der Weltgesundheitsorganisation wollen im März beide Strategien prüfen.