Historisches Preistief am Energiemarkt: Strom wird billiger – und teurer

Strom war im Großhandel noch nie so günstig wie zurzeit. Aber trotz des Preisverfalls haben viele Energieversorger ihre Tarife erhöht.

Hochspannungsmasten vor einer untergehenden Sonne

So schön kann Strom sein. Foto: dpa

FREIBURG taz | Der Preisverfall am Strommarkt geht rasant weiter. Am Terminmarkt der Leipziger Energiebörse wurde dieser Tage erstmals die Marke von 20 Euro pro Megawattstunde (also zwei Cent pro Kilowattstunde) unterschritten: Käufer von Grundlaststrom zur Lieferung im Jahr 2018 konnten die Megawattstunde zeitweise für 19,95 Euro erwerben. Vor drei Jahren kosteten entsprechende Terminkontrakte noch mehr als 40 Euro, 2012 sogar mehr als 50 Euro. Allein seit Jahresbeginn ist der Börsenpreis um ein Viertel gefallen.

Die Ursachen sind vielfältig. „Ein wichtiger Faktor ist der Preisrückgang bei der Steinkohle, der die weltweiten Wirtschaftserwartungen widerspiegelt“, sagt Philipp Götz vom Berliner Energy Brainpool, einem Marktspezialisten für die Energiebranche. Vor allem nachlassende Nachfrage aus China mache sich bemerkbar, wodurch sich die Kohlepreise binnen zwei Jahren halbierten. Ein weiterer Aspekt sei der Verfall der Preise der Emissionszertifikate, der ebenfalls die Wirtschaftserwartungen widerspiegelt.

Betrachtet man sich alleine die vergangenen Wochen, so hat die Preisentwicklung mit der deutschen Energiewende weniger zu tun. Der Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien hatte in den vergangenen Jahren durch das wachsende Angebot bereits zu sinkenden Börsenpreisen geführt, doch diese Entwicklung dürfte – wie es Börsianer formulieren – zwischenzeitlich eingepreist sein.

Immer wieder stehen Marktakteure vor der Frage, wie weit der Strompreis im Großhandel denn überhaupt noch fallen kann. „Das ist schwer zu beantworten“, sagt Analyst Götz, doch er ist überzeugt, dass es „nach wie vor Luft nach unten“ gebe, sollten die Kohlepreise auf dem Weltmarkt weiter nachgeben.

Irgendwann dürfte dann aber eine Gegenbewegung einsetzen, nämlich wenn Kohlegruben dicht machen, weil sie nicht mehr wirtschaftlich fördern können, womit sich das Angebot wieder verknappt. Und auch wenn die bestehenden Überkapazitäten an Kraftwerken in Mitteleuropa abgebaut werden, wird der Strompreis im Großhandel wieder anziehen.

Paradoxe Preisentwicklung

Da die Versorger in Deutschland ihren Strom zu großen Teilen bereits mehrere Jahre im Voraus einkaufen, kommen die Preisentwicklungen am Terminmarkt immer erst mit Verzögerung beim Endkunden an. Die Tatsache, dass viele Anbieter die Kilowattstundenpreise für Privatkunden in den letzten zwei Jahren trotz steigender Abgaben stabil hielten (einige senkten sie zum Jahresbeginn sogar), hat ihre Ursache in den gesunkenen Großhandelspreisen. Und mit Blick auf die aktuellen Marktentwicklungen ist es gut möglich, dass der Preis der Kilowattstunde Haushaltsstrom auch im nächsten Jahr stabil bleibt.

Und dennoch steigt, scheinbar paradox, für viele Kunden die Stromrechnung. Aber das geschieht nicht, weil der Strom selbst teurer wird, sondern weil die Versorger den monatlichen Grundpreis erhöhen. Seit Jahresbeginn haben 205 der rund 800 Energieversorger ihre Tarife erhöht oder Preiserhöhungen angekündigt, teilte das Tarifvergleichsportal Verivox mit. Lediglich 69 Versorger senkten ihre Preise.

Ein Beispiel für Preiserhöhung ist Vattenfall: Das Unternehmen hält den Verbrauchspreis zwar konstant, erhöht aber ab April die Monatspauschale um 2,30 Euro; ein Aufschlag also, der kleine, wie große Verbraucher in gleicher Höhe trifft. In diese Pauschale sind auch Kosten eingerechnet, die mit dem Strommarkt gar nichts zu tun haben. Der Versorger EnBW zum Beispiel begründete seine steigenden Monatsgebühren zuletzt damit, dass in der aktuellen Niedrigzinsphase Pensionsrückstellungen erhöht werden müssten.

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