„Da kommt eine ganz neue Gruppe Kinder“

INTEGRATION II Sie machen einen Sozialarbeiterjob, ohne vorbereitet zu sein, sagen die Erzieherinnen Claudia Schönau und Jana Reschberger

Claudia Schönau

leitet die katholische Kita Sankt Konrad von Parzham im Lichtenberger Stadtteil Hohenschönhausen.

taz: Frau Schönau, Frau Reschberger, Ihre Kita liegt in unmittelbarer Nähe zu ­einer Flüchtlingsunterkunft in der Märkischen Allee in Lichtenberg. Trotzdem haben Sie derzeit bei 60 Plätzen nur ein Flüchtlingskind aufgenommen. Warum sind es nicht mehr?

Claudia Schönau: Weil die Nachfrage fehlt. So haben wir derzeit nur ein vierjähriges Mädchen aus Syrien, die Eltern wohnen allerdings inzwischen schon in einer Wohnung und haben einen Aufenthaltstitel. Aus den Gemeinschaftsunterkünften, obwohl wir da ja in Lichtenberg mehrere haben, kommen bisher keine Anfragen.

Woran könnte das liegen?

Jana Reschberger: Ich glaube, dass Kita ein Thema ist, das den Eltern in den Unterkünften noch zu wenig kommuniziert wird. Die Eltern von unserem syrischen Mädchen sind letztes Jahr im Sommer auf eigene Initiative gekommen. Sie sind aber auch sehr bildungsorientiert und wollen, dass ihre Tochter möglichst schnell Deutsch lernt.

Schönau: Es gibt aber auch Unsicherheiten, was formale Dinge angeht. Wir wussten zum Beispiel zunächst nicht, wer das Mittagessen für das syrische Mädchen bezahlt, die 23 Euro Eigenanteil der Eltern. Oder ob sie vor dem Abschluss des Asyl­verfahrens überhaupt Anrecht auf einen Kitaplatz bei uns hat.

Da gibt es inzwischen einen Leitfaden der Senatsjugendverwaltung, der diese Fragen klären soll – etwa, dass es „im Ermessen“ der bezirklichen Jugendämter liegt, auch vor Abschluss des Asylverfahrens ein Kind in die Kita aufzunehmen.

Schönau: Wir haben inzwischen auch erfahren, dass die Eltern 3 Euro Ermäßigung zum Mittagessengeld bekommen – wenn sie das über den Bildungs- und Teilhabepass beantragen. Das ist aber auch zunächst mal Zeit, die wir in Recherche investieren. Und wir müssen diese Dinge den Eltern erklären, was ohne gemeinsame Sprache auch manchmal schwierig sein kann. Wir übernehmen da also eigentlich auch noch den Job eines Sozialarbeiters, ohne darauf in besonderer Weise vorbereitet zu sein oder mehr Ressourcen zur Verfügung zu bekommen.

Es gibt derzeit noch keinen offiziellen Leitfaden, der sich mit den pädagogischen Herausforderungen beschäftigt, die mit der gestiegenen Zahl der Flüchtlingskinder auf die Kitas zukommt. Auch entsprechende Fortbildungen sind Mangelware. Gab es bei Ihnen Situationen, mit denen Sie überfordert waren?

Reschberger: Unser syrisches Kind ist da sehr problemlos, sie hat sich gut integriert – auch wenn die Eingewöhnungsphase nicht ganz einfach war.

Vielleicht spielte da auch die Fluchterfahrung des Mädchens eine Rolle?

Schönau: Das wissen wir nicht, vielleicht. Wir waren, denke ich, im Kollegium im Vorfeld aber vor allem mit unseren eigenen Fragen überfordert: Kommt da jetzt ein von der Flucht traumatisiertes Kind – und wie begegnet man dem?

Jana Reschberger

ist Erzieherin in der Kita Sankt Konrad und hat auch die Eingewöhnung des syrischen Flüchtlingsmädchens mitbetreut.

Ein Pilotprojekt der Senatsbildungsverwaltung macht nun in Flüchtlingsunterkünften gezielt Werbung für die Kitas. Wird da eine Nachfrage geschaffen, auf die man seitens der Kitas gar nicht vorbereitet ist?

Schönau: Ja, es fehlt ganz grundsätzlich an Fortbildungsangeboten, etwa zum Thema Fluchttraumata. Und es fehlt zusätzliches Personal. Hier kommt ja auf einen Schlag eine ganz neue Gruppe Kinder nach Berlin.

Im Haushalt sind allein in diesem Jahr 50 Millionen Euro für Platzausbau und Personal eingestellt. Hinzu kommen noch 21 Millionen aus dem Investitionsfonds für die wachsende Stadt.

Schönau: Ich denke trotzdem, dass sich der Personalmangel weiter verschärfen wird. Sie müssen ja all diese Fachkräfte auch erst mal finden – ich habe seit Wochen eine Ausschreibung für eine Erzieherstelle online, der Rücklauf ist jedoch sehr überschaubar.

Interview Anna Klöpper