: Norddeutsche Grüne gegen Asyl-Deal
ASYLRECHT Baden-Württembergs grüner Regierungschef Winfried Kretschmann sorgt mit seiner Migrationspolitik für Empörung bei den ParteifreundInnen in Norddeutschland
Die grünen Landesverbände Norddeutschlands lehnen den Vorstoß des grünen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, zur Ausweitung der Liste sogenannter „sicherer Herkunftsstaaten“ geschlossen ab. „Es ist ein fatales Signal“, sagte Hamburgs grüne Landesvorsitzende Anna Gallina, „wenn Länder als sicher definiert werden, in denen erfolterte Geständnisse vor Gericht Bestand haben, wie in Marokko, kritische Fernsehsender geschlossen werden, wie in Algerien, und Homosexuellen drei Jahre Haft drohen, wie in Tunesien.“
Die taz hatte zuvor berichtet, dass der im Wahlkampf unter Druck stehende Kretschmann einen Deal mit der schwarz-roten Bundesregierung plant: Zusammen mit dem schwarz-grünen Hessen könne Baden-Württemberg im Bundesrat die Einstufung dieser drei nordafrikanischen Länder als „sicher“ unterstützen und so schnellere Abschiebungen ermöglichen – im Gegenzug für eine Altfallregelung. Rund 20.000 Menschen, die vor 2014 eingereist sind und bisher nur mit einer Duldung in Deutschland leben müssen, sollen danach eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung bekommen.
In den norddeutschen Flächenländern Schleswig-Holstein und Niedersachsen sorgt Kreschmanns Vorstoß trotzdem für Kopfschütteln: „Reine Symbolpolitik“ sei dessen Deal, ärgert sich etwa die Fraktionschefin der Grünen im Kieler Landtag, Eka von Kalben. Die drei nordafrikanischen Länder pauschal für sicher zu erklären, sei „völlig bescheuert“: Auslöser der Diskussion seien die sexuellen Übergriffe in Köln gewesen, argumentiert von Kalben – und die hätten mit der Menschenrechtslage in Marokko, Algerien und Tunesien nichts zu tun. Komme es zu einer Abstimmung im Bundesrat, sei klar, dass sich Schleswig-Holsteins Regierung enthalten werde.
„Wir haben einen Bundesparteitagsbeschluss, mit dem das Konzept der sicheren Herkunftsländer abgelehnt wird“, mahnt auch die Landesvorsitzende der Grünen in Niedersachsen, Meta Janssen-Kucz. Ähnlich argumentiert der Vorstandssprecher der Bremer Grünen, Ralph Saxe: „Niemand an unserer Basis würde verstehen, wenn wir Kretschmanns Linie mittragen würden“, sagt er – und kündigt eine Enthaltung Bremens im Bundesrat an.
Allerdings: Ob es überhaupt zu einer solchen Abstimmung in der Länderkammer kommt, ist fraglich: Sowohl CDU wie CSU lehnen den Deal aus Baden-Württemberg ab.
ANDREAS WYPUTTA
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