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Totgesagte stinken länger

Energie Der Supreme Court legt Obamas Pläne für ein Ende alter Kohlemeiler auf Eis. Das ist ein Rückschlag für den globalen Klimaschutz. Immerhin China bleibt cool

Von Ingo Arzt

BERLIN taz | Als Barack Obama im August 2015 seinen Clean Power Plan präsentierte, wählte er historische Worte: Es gebe keine größere Gefahr für künftige Generationen als der Klimawandel – und die USA werde die Welt anführen, um die Gefahr abzuwenden, sagte der US-Präsident.

Jetzt hat der Oberste Gerichtshof in Washington den „Plan für eine saubere Stromversorgung“ kassiert – vorerst, wohlgemerkt. Dutzende, hauptsächlich republikanisch geführte US-Bundesstaaten und Energieunternehmen klagen auf verschiedenen Wegen dagegen – mit Rücksicht darauf setzt der Supreme Court den Stromplan jetzt aus. Am Ende wird der Fall aller Voraussicht nach wieder vor dem Obersten Gerichtshof landen.

Endgültig ist also nichts, doch das politische Signal ist verheerend und zerstört Obamas ausgeklügelten Zeitplan für Klimaschutz. Der sieht vor, dass die Klimagas-Emissionen aus Kraftwerken in den USA bis 2030 um knapp ein Drittel sinken sollen – wie, das bleibt den US-Bundesstaaten überlassen. Allerdings gibt es dafür kein Gesetz.

Der US-Kongress ist von den Republikanern dominiert, und die halten den Klimawandel für eine Art grünen Mythos. Von einem „Sieg für das amerikanische Volk und unsere Wirtschaft“ sprach etwa der Republikaner Paul Ryan, Sprecher des Repräsentantenhauses. Der demokratische Präsidentschaftsbewerber Bernie Sanders erklärte dagegen, das Vorgehen des Supreme Court sei „zutiefst enttäuschend“.

Dahinter steckt im Prinzip der Pferdefuß der gesamten globalen Klimapolitik: Sollten die Republikaner die Präsidentschaftswahlen im November gewinnen, würden die USA ihre Klimaschutzpläne beerdigen.

Das politische Signal zerstört ­Obamas Zeitplan für Klimaschutz

Obamas Team baut dem vor, indem sie so viele Fakten schaffen wollen wie möglich. Die Idee ist, Regularien zum Klimaschutz so tief im Dschungel aus Verordnungen zu verankern, dass es Jahre dauern würde, alles wieder zurückzudrehen. Bis es so weit wäre, hätte sich die Wirtschaft längst klimafreundlich aufgestellt. Doch mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs kann Obama seine Amtszeit nun nicht mehr nutzen, um die 1.500 Seiten dicke Klimaverordnung der Umweltbehörde irreversibel in die amerikanischen Behörden einzugraben.

Bislang setzte der Präsident auf ein Gesetz aus den 70er Jahren. Demnach darf er am Kongress vorbei über die ihm unterstehende Umweltbehörde EPA Luftschadstoffe bekämpfen. In einem wichtigen Urteil aus dem Jahr 2007 definierte der Oberste Gerichtshof Klimagase als Luftschadstoff. Darin steckt das zweite Problem: Möglicherweise pochen die wichtigsten Richter des Landes künftig auf eine gesetzliche Grundlage beim Klimaschutz – angesichts der Machtverhältnisse im Kongress derzeit unmöglich.

Immerhin: „China wird seine Klimaschutzpläne auch unabhängig von den USA fortsetzen“, sagt Lee Shuo, bei Greenpeace China für Klimapolitik zuständig.

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