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Die Stadt zahlt drauf – so oder so

Streit Springer-Chef Mathias Döpfner will auf dem Pfingstberg in Potsdam mehr privaten Raum im Umfeld seiner Villa – dafür saniert er eine andere Villa auf eigene Kosten. Weil es um einen öffentlichen Park geht, gibt es Streit – und Kompromissvorschläge

von Marco Zschieck

Wer ein Geschenk bekommt, bedankt sich für gewöhnlich dafür. Anders sieht es hingegen aus, wenn sich das vermeintliche Geschenk als Mogelpackung entpuppt, voller Macken und am Ende noch kostspielig. Auch die Potsdamer Stadtverordneten haben es derzeit mit einer Gabe zu tun. Es geht darum, was eine Kommune für die Investition eines wohlhabenden Einwohners zu opfern bereit ist – und um die Privatisierung von öffentlichem Grund und Boden.

Die Stadtverwaltung schlägt in einer Vorlage für den Hauptausschuss am morgigen Mittwoch zwei Varianten vor, wie der seit anderthalb Jahren andauernde Streit um ein Stück Weltkulturerbe am Pfingstberg mit einem Kompromiss beigelegt werden soll. Damit will sie eine langwierige Auseinandersetzung vor dem Verwaltungsgericht mit ungewissem Ausgang und einem Gegner mit sehr guten Anwälten vermeiden.

Wie kam es dazu? Am Hang des Hügels im Norden Potsdams wurde vor mehr als 100 Jahren eine spätklassizistische Villa für den Bankdirektor Hermann Henckel errichtet. Heute gehört sie einer Gesellschaft, deren Mehrheit der Vorstandschef des Springer-Verlags, Mathias Döpfner, hält. Der Park, der das Privatgrundstück umgibt – eigentlich ein verwilderter Hang –, gehört der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, die im Auftrag des Bundes und der Länder Brandenburg und Berlin das Erbe Preußens verwaltet. Die hat in Potsdam derart viel mit königlichen Schlössern und Parks zu tun, dass sie für die Grünanlagen des früheren Hofstaats schlicht keine Mittel hat.

Mit Döpfner machte die Stiftung im Herbst 2014 deshalb einen Deal: Der vermögende Medienmanager hübscht auf eigene Kosten den Park auf Welterbe-Niveau auf und kann ihn dafür überwiegend privat nutzen – außerdem saniert er die marode Villa Schlieffen am anderen Ende des Parks. Doch seit 2014 versperrt ein Bauzaun den Anwohnern den Weg auf das sechs Hektar große Gelände – die Aufregung war groß. Umgehend protestierten Bürgerinitiativen. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) fühlte sich düpiert, weil es Döpfner und die Schlösserstiftung nicht für nötig gehalten hatten, vorab über den Deal zu sprechen.

Angesichts des öffentlichen Drucks musste die Stadt handeln. Und tatsächlich besagt ein rechtsgültiger Bebauungsplan, dass bis auf einen schmalen Streifen der überwiegende Teil des Areals eine öffentliche Grünfläche ist – und folglich auch frei zugänglich sein müsste. Eine Änderung lehnte die Stadt ab und ordnete den Abbau des Zauns an. Schlösserstiftung und Döpfner-Gesellschaft ließen ihn mit Verweis auf die Verkehrssicherunsgpflicht stehen: Morsches Gehölz könnte Spaziergänger verletzen. Ein Umstand, der der Stiftung vor dem Deal mit Döpfner offensichtlich entgangen war.

Seitdem standen sich die Streitparteien gegenüber. Es drohte der Ausstieg von Döpfner. Doch hinter den Kulissen wurde nach einem Kompromiss gesucht, wie der verwilderte Hang doch ein Schmuckstück werden könnte und trotzdem öffentlich zugänglich bleibt.

Nun liegen zwei Varianten auf dem Tisch. In der von der Stadt favorisierten würde Döpfner 13.000 Quadratmeter des Parks mehr privat nutzen und einzäunen dürfen, als der Bebauungsplan zulässt. Im Gegenzug würde er auch in den öffentlichen Teil und die Villa Schlieffen investieren. Die Stadt übernimmt die Pflege des öffentlichen Teil des Parks. Geschätzte Kosten: 215.000 Euro jährlich. In der anderen Variante bekommt Döpfner 6.000 Quadratmeter weniger, die Stadt müsste die Investitionen von 2,5 Millionen Euro für den Park tragen und einen neuen Investor für die Villa Schlieffen suchen.

Das ist „erpresserische Landnahme“

Sandro Szilleweit, Fraktionsvorsitzender Die Andere

In beiden Fällen wäre die öffentliche Fläche kleiner als ursprünglich vorgesehen. Zudem wäre die Stadt auch weiterhin nicht Eigentümer und würde trotzdem viel Geld ausgeben. Die Parkpflege wäre nach Schätzungen der Stadtverwaltung pro Quadratmeter etwa 15-mal so teuer wie für eine durchschnittliche städtische Grünanlage.

Angesichts dieser Konditionen regt sich Kritik: Die Pfingstbergbürgerinitiative lehnt den Kompromiss ab. Der geltende Bebauungsplan müsse eingehalten werden. Die oppositionelle Linke äußerte Unverständnis. Wenn der Springer-Vorstand bislang öffentlich gewidmete Fläche zur privaten Nutzung erhalte, müsse er sich auch an den Investitionen und der Pflege beteiligen. Und auch die SPD sieht noch Klärungsbedarf. Nur CDU und Grüne, die in Potsdam die Belange des Welterbes immer sehr hoch einordnen, signalisierten bereits Zustimmung.

Am deutlichsten formuliert die linksalternative Fraktion Die Andere ihre Ablehnung: „Die Stadt sollte sich auf ihren Bebauungsplan berufen und konsequent die öffentliche Zugänglichkeit einfordern und gegebenenfalls gerichtlich erstreiten“, sagt der Fraktionsvorsitzende Sandro Szilleweit. Die Übertragung von weiterem Grund und Boden an Döpfner sei letztendlich das Ergebnis einer „erpresserischen Landnahme“. Schon unmittelbar nach Beginn des Streits hatte die Wählergruppe als Protest ein paar Quadratmeter Wiese an einer zentralen Bushaltestelle eingezäunt – sie nannte es „eindöpfnern“.

Der Konflikt um den Pfingstberg ist nicht das erste Mal, dass sich Potsdam mit einem Mäzen schwertut: 2012 hatte Software-Milliardär Hasso Plattner angeboten, das von der Stadtspitze ungeliebte ehemalige Interhotel in der Innenstadt zu schleifen und stattdessen eine Kunsthalle zu bauen und dort seine private Sammlung auszustellen. Doch in der Stadt hängen viele an dem Hotelhochhaus als prominentem Beispiel der DDR-Moderne. Es gab Proteste, und der Mäzen blies das Projekt ab.

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