piwik no script img

Kein Kita-Platz wegen Behinderung?

INKLUSION Eine Mutter will eine Steglitzer Kita wegen Diskriminierung ihres Kindes verklagen

Die Anschuldigungen der Mutter wiegen schwer: Man nehme keine „defekten“ Kinder, habe ihr der Träger ihrer Wunschkita unverblümt erklärt. Mit „defekt“, so die Mutter Julia Fescova, sei in diesem Fall eins ihrer Drillingskinder gemeint gewesen – die Zweijährige ist schwer behindert, kann weder sprechen noch laufen.

Was die alleinerziehende Dolmetscherin besonders wütend macht: Bei einem Besichtigungstermin in der Steglitzer Kita Anfang 2014 habe man ihr drei Plätze für August 2015 mündlich „zugesichert“. Dann entwickelte eine Tochter, späte Komplikationen nach der Frühgeburt, eine schwere Hirnschädigung. Als Fescova das der Kita im September 2014 mitteilte, sei von drei sicheren Plätzen plötzlich keine Rede mehr gewesen.

Besuch von der Kitaaufsicht

Nun ist die geltende Berliner Rechtslage so, dass keinem Kind auf Grund seiner Behinderung ein Platz in einer Kita verwehrt werden darf. Allerdings sagt nun der Träger: Es sei ja auch überhaupt nicht um die Behinderung des Kindes gegangen. Die Situation auf der Warteliste habe sich durch die Geschwisterkinder und Kinder, die von ihren Eltern von der Schulpflicht zurückgestellt wurden, einfach sehr ungünstig verändert, erklärt Svetlana Zirkova, Bereichsleiterin Kita bei der Mitra gGmbH. Die Vereinigung russischsprachiger Eltern und Pädagogen betreibt berlinweit insgesamt sechs Kitas mit rund 600 Kindern.

Die Leiterin der Steglitzer Kita, Kristina Hinkel, sagt, selbstverständlich nehme man auch „Kinder mit Integrationsstatus“. Für drei Kinder habe man derzeit einen sogenannten „I-Status“ beantragt. Einmal allerdings wegen Hochbegabung, einmal wegen Sprachförderbedarf – ein Kind ist geistig behindert mit der Diagnose Autismus.

Tatsächlich bekam die Kita, nachdem sich Fescova an die Landesvereinigung Selbsthilfe gewandt hatte, im September 2015 Besuch von der Kitaaufsicht der zuständigen Senatsverwaltung – mit der Auflage, beim „pädagogischen Konzept“ nachzubessern. Das habe man auch getan, sagt Svetlana Zirkova. So habe sich eine Kollegin inzwischen zur Integrationserzieherin fortbilden lassen. „Freiwillig“, wie Kitaleiterin Hinkel betont.

Alles andere wäre aber auch schmerzhaft geworden für den Träger: Kitabetreiber sind verpflichtet, das Berliner Bildungsprogramm, das Inklusion als einen zentralen Punkt hat, umzusetzen. Andernfalls kann die Betriebserlaubnis entzogen werden. Bei der Mitra gGmbh beobachte man seit dem Besuch der Kitaaufsicht die Zahl der Integrationskinder in den Kitas des Trägers, so ein Sprecher von Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD). „Wir sehen Fortschritte.“

Julia Fescova hat inzwischen einen Betreuungsvertrag mit einer anderen Kita geschlossen. Den Fall auf sich beruhen lassen will sie aber nicht: „Es geht hier ja ums Prinzip.“ Ob es nun Diskriminierung war oder schlicht eine übervolle Warteliste, soll demnächst die Richter beschäftigen: Julia Fescova will klagen. Anna Klöpper

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen