: Verfassungsschutz und NSU:Bouffier unter Druck
Terrorismus Die Polizei durfte einen Verdächtigen einst nicht befragen – laut Zeugen ein Fehler
Die Aussage Fromms bringt den heutigen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU) in Erklärungsnöte. Denn er war damals als Innenmister die letzte Instanz, die über entsprechende Genehmigungen entschied und sie im Fall des Mordes am Internetcafébetreiber Halit Yozgat ablehnte. Der Mord an Yozgat im April 2006 war der mutmaßlich letzte Mord des rechtsterroristischen NSU. Der Verfassungsschützer Andreas Temme war an diesem Tag entweder zur Tatzeit im Café oder nur wenige Augenblicke zuvor. Als Zeuge gemeldet hatte er sich aber nicht, auch deshalb geriet er unter Tatverdacht.
Schon am Freitag hatte eine Verfassungsschützerin ausgesagt, eine Vernehmung sei gefahrlos möglich gewesen. Denn die Namen der V-Männer, mit denen Tenne zu tun hatte, waren der Polizei ohnehin bekannt.
„Bouffier hat in der Causa Schutz von V-Leuten gegenüber der Aufklärung eines Mordes nach heutigem Kenntnisstand eine falsche Abwägung getroffen. Er wird sich dem stellen müssen“, sagte nun Günter Rudolf, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD.
Darüber hinaus förderte der Ausschuss am Montag weitere Details zutage: So fand der ehemalige Leiter der Abteilung Beschaffung des Landesverfassungsschutzes, Hans Joachim Muth, zu seinem ehemaligen Mitarbeiter Temme klare Worte: „Er hätte ein Disziplinarverfahren verdient“, sagte Muth. Das jedoch hat es nie gegeben. Temme wurde nur versetzt, obwohl gegen ihn eine lange Liste mit Dienstverstößen vorlag. Unter anderem wurde ihm vorgeworfen, dass er sich privat in Sichtweite zu seinem Beobachtungsobjekt aufhielt, seine Dienstwaffe mit nach Hause nahm und Haschischreste in der Büroschublade lagerte.
Eine weitere Einschätzung könnte noch gewichtig werden: Auf Nachfrage bestätigte Muth, dass das Telefonat, das Temme kurz vor dem Mord am 9. April 2006 mit einem rechtsextremen V-Mann führte, zu lange gewesen sei. Es dauerte ganze 11 Minuten. „Telefonate sind so kurz wie möglich zu halten. Eigentlich nur um Treffpunkte für persönliche Gespräche auszumachen“, so Muth. Alina Leimbach
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