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Uniformierte haben bessere Chancen auf Kita-Platz

Bundeswehr II Verteidigungsministerium kauft Belegrechte für Soldatenkinder

Die Ministerin will die Bundeswehr zu einem familienfreundlichen Arbeitgeber umbauen

BERLIN taz | Die Kita „Johannisbär“ im niedersächsischen Nien­burg ist perfekt gelegen: großes Grundstück am Waldrand, zur Clausewitz-Kaserne dauert es mit dem Auto nur vier Minuten. Die Bundeswehr hat also ein gutes Geschäft gemacht, als sie vor zwei Jahren einen Vertrag mit der evangelischen Landeskirche abschloss. Seit Oktober 2013 hält der Betreiber drei Plätze für Kinder von Soldaten und Bundeswehrangestellten vor; dafür überweist das Militär pro Platz und Monat 241 Euro.

Eine Praxis ganz im Sinne von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die ihr Amt einst mit der Prämisse antrat, die Bundeswehr zu einem familienfreundlichen Arbeit­geber umzubauen. Dazu gehört es auch, Kindern von Mitarbeitern genügend Betreuungsplätze zur Verfügung zu stellen. Und weil der Kita-Ausbau bundesweit zu langsam vorangeht, setzen Bundeswehr und Ministerium inzwischen vermehrt darauf, sogenannte Belegrechte zu kaufen.

Aus der Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag geht hervor, dass sich das Militär auf diese Weise schon knapp 400 Betreuungsplätze gekauft hat. Pro Monat und Platz bezahlt es zwischen 200 und 1.050 Euro. Anderen Familien stehen diese Plätze nicht mehr zur Verfügung.

Die umstrittene Methode hat sich das Militär aus der freien Wirtschaft abgeschaut. Privatunternehmen reservieren auf diese Weise schon lange öffentlich finanzierte Kitaplätze für ihre Mitarbeiter. Befürworter des Verfahrens betonen den vermeintlichen Vorteil: Die Betreiber erhielten schließlich zusätzliche Einnahmen, mit denen sie wiederum neue Plätze schaffen könnten. So gesehen ließe sich kaum etwas dagegen einwenden, dass das Verteidigungsministerium Mittel aus seinem Etat indirekt in den Kita-Ausbau umleitet.

Die Rechnung geht allerdings nur auf, wenn der Preis stimmt. Für den Betreuungsplatz eines Dreijährigen können monatlich bis zu 1.000 Euro Betriebskosten anfallen. Zahlt die Bundeswehr 200 Euro, kann der Betreiber also noch keinen zusätzlichen Platz einrichten. Die Konsequenz: Dass die Belegrechte mit einem Kita-Ausbau einhergehen, ist nicht gesagt. Stattdessen haben Eltern in Uniform letztlich bessere Chancen auf einen Betreuungsplatz als Eltern ohne Uniform.

„Es kann nicht sein, dass die Bundeswehr mit Steuermitteln für ihre Angehörigen einen privilegierten Zugang zum knappen Gut Kitaplatz finanziert“, sagt Norbert Müller, kinderpolitischer Sprecher der Linksfraktion. „Das Problem ist der allgemeine Mangel an Kitaplätzen und deren Qualität. Wir brauchen ein Kitaqualitätsgesetz und mehr öffentliche Mittel aus dem Bundeshaushalt.“

Unterdessen prüft die Bundeswehr in neun Bundesländern, zusätzliche Betreuungsplätze zu organisieren. Dass sie auch dabei auf Belegrechte setzt, schließt sie nicht aus. Tobias Schulze

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