Ein Maulkorb für die Kammer

REDE-RECHT

Jedes Jahr zu Silvester zitiert der Präses der Hamburger Handelskammer den Senat zur „Versammlung eines ehrbaren Kaufmanns“. Da lässt er sich dann über die große und kleine Politik aus und liest der Stadtregierung, jawohl, die Leviten. Der jüngste „Rundumschlag“ von Präses Fritz Horst Melsheimer hat nun den Immobilienunternehmer Bernd Jakovlev so weit auf die Palme getrieben, dass er eine Unterlassungserklärung an die Organisation geschickt hat, die anderswo „Industrie- und Handelskammer“ heißt und als staatlich verordnetes Selbstverwaltungsorgan der Wirtschaft fungiert. „Für viele Unternehmer ist es mittlerweile unerträglich“, so Jakovlev, „in welcher Weise die Kammer Stimmung macht.“

Melsheimers Rede sei über weite Strecken allgemeinpolitisch gewesen, habe Minderheitenpositionen ignoriert und emotionalisiert. Auch habe sich der Präses dafür kein Mandat vom Kammerplenum geholt. Damit habe er gegen ein Grundsatzurteil aus dem Jahr 2010 verstoßen, mit dem das Bundesverwaltungsgericht den Kammern auferlegte, sich bei politischen Äußerungen zu mäßigen (BVerwG, 8 C 20.09).

Jakovlev hält es nicht für vertretbar, mit welcher Deutlichkeit die Handelskammer sich etwa gegen einen Rückkauf der Energienetze durch die Stadt eingesetzt hat und für die Olympia-Bewerbung. Das Nein zu Olympia nannte Melsheimer auch jetzt in seiner Rede einen „Schlag ins Kontor“, Deutschland sei „von Hamburg enttäuscht“: Solche Äußerungen machten in unzulässiger Weise Stimmung, findet Jakovlev. Und es sei auch nicht die Aufgabe des Kammer-Präses, sich über die militärischen Interventionen im Nahen Osten auszulassen.

Besonders ärgerlich ist das für Jakovlev, weil er als Unternehmer zwangsweise Kammermitglied ist. Zudem sei das Plenum mit seinem „Ständewahlrecht“ kein ernst zu nehmendes demokratisches Organ, assistiert ihm Kai Boeddinghaus vom Bundesverband für Freie Kammern. „Es ist ein großes Ärgernis, wenn es eine Clique von Leuten gibt, die sich dieses Instrument der Selbstverwaltung unter den Nagel reißen“, sagt er. „Es ist die gesetzliche Aufgabe unserer Handelskammer, die Politik zu beraten“, kontert Kammersprecher Jörn Arfs. Das werde sie auch künftig tun.

Falls die Kammer die Unterlassungserklärung nicht bis zum 31. Januar unterzeichnet, will Jakovlev klagen. KNÖ