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Amnesty wirft Kurden Vertreibung vor

IRAK Die Peschmerga sind enge Verbündete des Westens im Kampf gegen den „Islamischen Staat“

Araber werden schnell als IS-Sym­pathisantenverdächtigt

VON Inga Rogg

ISTANBUL taz | Vertreibungen, Plünderungen und Niederwalzen von Häusern – diese und weitere schwere Menschenrechtsverletzungen haben nach Angaben von Amnesty International kurdische Kämpfer im Irak verübt. Die Opfer sind vor allem sunnitische Araber im Norden und Nordosten des Landes, wo die Kurden an vorderster Front im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ (IS) stehen.

Peschmerga-Truppen der kurdischen Regionalregierung hätten Tausende Häuser von Arabern mit Planierraupen zerstört, gesprengt oder niedergebrannt, heißt es in einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht. Amnesty spricht von einem Feldzug, um die arabische Bevölkerung zu vertreiben. „Die gewaltsame Vertreibung von Zivilisten und die mutwillige Zerstörung von Häusern und Besitz ohne militärische Rechtfertigung könnte ein Kriegsverbrechen darstellen“, sagte Donatella Rovera, Amnesty-Beraterin für Krisensituationen.

Vertreter des kurdischen Teilstaats im Nordirak bestreiten die Vorwürfe. Die Häuser seien durch Kampfhandlungen oder Sprengstofffallen des IS schwer beschädigt worden, sagte Peschmerga-Sprecher Jabbar Yawar. Ein Regierungsvertreter in Erbil erklärte, ein Teil der Zerstörung sei durch die Luftangriffe der USA und ihrer Verbündeten verursacht worden. Die Alliierten hätten gefordert, dass Zivilisten von den Frontlinien mit dem IS ferngehalten werden, davon seien nicht nur Araber, sondern auch Kurden betroffen.

Die Angaben von Amnesty stützen sich auf Recherchen in 13 Dörfern in den Provinzen Ninive (Mossul), Kirkuk im Norden und Diyala im Osten des Irak. Sie liegen in Gebieten, die die Kurden für ihren Teilstaat beanspruchen. Im Sommer 2014 hatte der IS sie in seine Gewalt gebracht. In einem am Dienstag veröffentlichten Bericht hat die UNO die zahlreichen Verbrechen der Fanatiker dokumentiert. So halte der IS 3.500 Menschen als Sklaven gefangen, vor allem Frauen der Minderheit der Jesiden. Darüber hinaus hätten sie allein in Mossul bis zu 900 Kinder verschleppt, um sie in den Kriegsdienst zu zwingen.

Mit westlicher Hilfe ist es den Kurden gelungen, den IS aus einem Teil dieser Gebiete wieder zu vertreiben. Dabei erhalten sie auch Unterstützung aus Deutschland, das Waffen an die Peschmerga geliefert hat. Bundeswehrsoldaten bilden mehrere hundert Peschmerga aus.

Die kurdische Regionalregierung versuche, die Vertreibung der Araber mit Sicherheitsmaßnahmen zu rechtfertigen, so Amnesty. Dabei sind Kurden, die unter dem ehemaligen Saddam-Regime aus einigen der Gebiete vertrieben wurden, schnell bei der Hand, Araber als IS-Sympathisanten zu verdächtigen. Laut Amnesty dient der Vorwurf auch dazu, Strafaktionen gegen arabische Zivilisten zu rechtfertigen und die Kontrolle über die umstrittenen Gebiete zu erlangen. Laut der UNO hat der Konflikt im Irak zwischen Januar 2014 und Oktober 2015 das Leben von mindestens als 18.802 Zivilisten gefordert.

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