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„Warm und kuschelig, gemütlich und intim“

Große Namen in kleinen Zelten Heute beginnt das 15. Literaturfestival „Geschichten in Jurten“. Es spricht sogar Lesungsmuffel an, so Organisatorin Britta Gansebohm

In den Jurten im Sony Center wird wieder von morgens bis abends vorgelesen Foto: Pierre Adenis

Interview René Hamann

taz: Frau Gansebohm, seit 15 Jahre schon gibt es das Literaturfestival „Geschichten in Jurten“. Worin begründet sich dessen Erfolg?

Britta Gansebohm: Vielleicht beginne ich mit dem Anfang. Es gab eine Ausschreibung für eine Veranstaltung im Sony Center. Die Agentur CB.e hatte die Idee, Jurten aus der Mongolei zu holen, da jemand aus der Agentur gerade von dort zurückkam und sie die archaischen Jurten als Kontrast zum futuristischen Sony-Center-Segel sahen. Die Mitarbeiter der Agentur stellten sich vor, dass in den Jurten Lesungen stattfinden könnten. Sie riefen mich an, da sie meine Arbeit durch den „Literarischen Salon“ kannten, und fragten, ob ich ihnen ein Literaturkonzept für die mongolischen Zelte erstellen könnte.

Und das haben Sie gemacht.

Weil die Jurten von morgens bis abends bespielt werden sollten, erarbeitete ich das Konzept für Kurz- und Mehrfachlesungen. So können auch Menschen, die zuvor noch nie auf einer Autorenlesung waren, ohne Eintritt zu bezahlen, Geschichten lauschen, ohne Schwellenängste überwinden zu müssen. Und hochkarätige Autoren kennenlernen: Anschließend gibt es die Möglichkeit, mit dem Autor ins Gespräch zu kommen. Ich nenne das „Verführung zur Literatur“.

Mit der Mongolei hat das Ganze weiter nichts zu tun?

Wir hatten auch mal Lesungen aus und über die Mongolei. Aber nein: Es geht einfach um die besondere Atmosphäre in den Jurten. Es ist warm und kuschelig, gemütlich und intim. Man kann auf Kissen liegen oder sitzen. Ansonsten gibt es kleine Sitzwürfel. Es gab natürlich auch Fälle, wo auch Autoren, die unter Platzangst leiden, gar nicht da reinwollten.

Hat Sie der Erfolg überrascht, der sich bald einstellte?

Geschichtenerzähler in der Jurte

Seit 2002 gibt es sie bereits, die „Geschichten in Jurten“ am Sony Center am Potsdamer Platz. 100 Lesungen von 37 Autor*innen wird es auch in dieser 15. Auflage vom heutigen Donnerstag bis Sonntag wieder geben, kuratiert wie immer von Britta Gansebohm. Sie hat diesen „Berliner Wintersalon“ als großes unter den kleinen Literaturevents der Stadt im Schatten der richtig großen Festivals (ilb, Poesiefestival) fest etabliert.

Klar ist, dass das nur mit Namen geht – und mit einem Publikum, das bereit ist, lange Wege zu fahren, um an einem an sich recht unheimeligen und künstlichen Ort wie dem Potsdamer Platz eine Atmosphäre von Intimität zu erfahren.

Die kleineren Literaturszenen der Stadt bleiben indes auch bei dieser Veranstaltung weiter außen vor – doch Britta Gansebohm legt Wert auf Ortsgebundenheit, auf treue Autor*innen vornehmlich aus Berlin, auf ein treues Publikum und die Tatsache, dass es bei ihr keine Praktikant*innenparade gibt: Den eigentlichen Job macht sie.

Und sie weiß ein gutes Orga-Büro (namens CBe) hinter sich. Und das hat ein Telefon: Unter 25 75 57 00 lässt sich ein Sitzplatz in der Jurte reservieren. Rufen Sie schnell an, denn die Plätze sind begehrt.

Nein. Zumal es meine Hoffnung war, dass es nicht bei einem einmaligen Event bleibt. Mein Wunsch war, dass sich daraus ein hochkarätiges Literaturfestival mitten in der Stadt etabliert, wozu jeder Zutritt hat, der neugierig oder eben literaturbegeistert ist. Ohne Schwellenangst, die es für manche Menschen bei einem Literaturhaus oder Ähnlichem gibt.

Denken Sie, dass Literaturvermittlung inzwischen nur noch über Eventkultur funktionieren kann?

Nun, wir haben einfach ein sehr gutes Programm. Und natürlich gibt es ein Budget – die Autoren sollen selbstverständlich bezahlt werden! Und wir haben von Anfang an mit Radioeins vom rbb zusammengearbeitet.

Jetzt weichen Sie aus.

Ich würde nicht sagen, dass das nur noch auf diese Weise funktionieren kann. Nein. Allerdings ist es schwieriger geworden. Es gab, als ich 1995 mit Literaturveranstaltungen angefangen habe, noch keine Mobiltelefone oder nur sehr wenige Menschen, die eins hatten. Es gab auch noch so gut wie kein Internet. Dass alle nur noch in ihre Smart­phones schauen und gar nicht mehr in der richtigen Welt sind, gab es damals nicht. Die Kulturseiten der großen Zeitungen sind zusammengeschmolzen, stattdessen gibt es Castingshows. Versuchen Sie einmal, mehr als 20 Leute auf eine Lesung zu bekommen heutzutage! Das ist kaum noch möglich. Und diese Welt des „Höher, Schneller, Weiter“ ist eben auch bei den Literaturveranstaltungen angekommen. Die Leute wollen die Nobelpreisträger hören. Da gehen sie gern hin. Oder man muss eben was Besonderes machen.

Britta Gansebohm

studierte Germanistik und Theaterwissenschaften und gründete 1995 ihren Literarischen Salon Britta Gansebohm.

Auch Sie setzen auf bekanntere Autoren – die lokalen Lieblinge der Saison, wenn man so will. Wie viel Spielraum haben Sie bei der Auswahl?

Ich treffe die Auswahl nach dem Thema, das ich mir zuvor überlegt habe und die Zustimmung der Veranstalter erhielt. Die Veranstalter übernehmen größtenteils meine Autorenvorschläge. Allerdings kommt es vor, dass sie in Einzelfällen Bücher ablehnen. Aber es ist nicht so, dass Verlage auf mich zukommen, weil sie ihre Autoren im Programm sehen wollen. Eher sind es die Autorinnen und Autoren, die sich bei mir melden, weil sie bereits in den Jurten gelesen ­haben und gern wieder aus ihrem neuen Werk dort lesen möchten.

Von den größeren Literatur­events weiß man: Nichts geht dort mehr ohne ehrenamtliche, also unbezahlte Helfer. Ist das bei Ihnen auch so?

Nein. Ich arbeite zwei Moderatorinnen ein, die in Jurte 1 die Schriftsteller vorstellen und ein Honorar erhalten. Ich selbst moderiere – weitestgehend durchgängig über die vier Tage – in Jurte 2. Wir arbeiten nicht mit unbezahlten Praktikanten. Die Agentur stellt ihre Mitarbeiter für diese Veranstaltung zur Verfügung, die natürlich bezahlt werden. Wir alle – natürlich auch die Autoren – werden von dem Veranstalter, der Werbegemeinschaft Sony Center GbR, bezahlt. Das ist also nicht die Firma Sony, wie einige jetzt vermuten könnten, sondern es sind die Inhaber der Restaurants, Cafés, des Kinos etc., die im Sony Center ansässig sind, die sich alle mit einem Betrag an diesem Festival beteiligen und es somit insgesamt sponsern.

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