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„Mit überlegener Moral“

Premiere Kobane-Solidaritätsbrigaden stellen mit Dokumentarfilm ihre Aufbauhilfe in Syrien vor

Foto: privat
Narzisse Nianur

51, Sozialpädagogin, beschreibt sich als „in der internationalen Politik aktive Brigadistin“ und half 2015 in Syrien beim Wiederaufbau.

taz: Hat Ihre Familie keine Angst, wenn Sie in eine der am stärksten umkämpften Regionen der Welt reisen, um zu helfen?

Narzisse Nianur: Generell war die Rückmeldung positiv. Mein Sohn ist sehr stolz auf mich, meine Freunde und Arbeitskollegen waren zu Anfang skeptisch. Sie haben aber verstanden, dass es richtig ist, anzupacken – und haben sogar gespendet.

Warum Kobane? Die gesamte Region ist vom Bürgerkrieg gebeutelt.

Kobane ist die erste Stadt, die den Islamischen Staat vernichtend geschlagen hat – mit unterlegenen Waffen, aber mit überlegener Moral. Die Stadt wurde zum Symbol für das Durchhalten, Nichtaufgeben. Dort herrscht die Vision einer demokratischen Gesellschaft, die fasziniert und inspiriert. Natürlich muss man auch in anderen Städten aufbauen, Kobane ist nur eine Region unter vielen.

Warum müssen Laien anfassen, gibt es keine Hilfsorganisationen?

Bei uns steht das gemeinsame Helfen im Vordergrund. Es herrscht ein enges Miteinander, wir wollen mit der Bevölkerung bauen und nicht für sie. Wir haben uns bewusst auf die Ebene der Bewohner begeben, wie sie gewohnt und wie sie gegessen. Abgesehen davon gibt es schlichtweg keine NGO in der Region – unser Gesundheitszentrum ist das erste Projekt seit der Selbstbefreiung vor einem Jahr. Die Zerstörung ist immer noch groß, die Häuser sind gezeichnet von schweren Straßenkämpfen.

Hatten Sie selbst keine Angst?

Man hat ein mulmiges Gefühl, wenn man in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die Grenze zu Syrien überquert, keine Frage. Die erste Brigade ist in ein Massaker des IS gekommen und auch bei uns gab es Bombenanschläge. In Kobane selbst haben wir uns gut beschützt gefühlt. Man wird jeden Tag erinnert, dass unser Tun nichts gewöhnliches ist, aber es bestand nie ein Zweifel an der Sache.

Was kann die deutsche Politik tun?

Der türkische Präsident Erdogan ist maßgeblich für die Situation Kobanes und der Kurdengebiete verantwortlich. Die Grenzen sind zu und Hilfsgüter kommen nicht an – das ist kriminell! Das Hofieren Erdogans muss aufhören, da müssen wir die Bundesregierung einfach in die Pflicht nehmen.

Interview: NR

Filmpremiere „Den Sieg sichern! Zum Wiederaufbau von Kobane“: 19 Uhr, Uni Hamburg, Von-Melle-Park 9

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