Weltwirtschaftsforum in Davos: Reich werden, Flüchtlingen helfen

Offiziell geht es in Davos um die vierte industrielle Revolution: die Digitalisierung des Lebens. Eine große Rolle spielt auch das Thema Flucht.

Menschen in weißer Kleidung mit Gewehren in der Hand neben großen Buchstaben "Davos"

Zum 46. Mal trifft sich die globale Wirtschaftselite im Wintersportort Davos – gut bewacht. Foto: Reuters

DAVOS taz | Hamdi Ulukaya weiß, wovon er redet. Der 43-jährige US-Unternehmer entstammt einer kurdischen Familie aus der Türkei. Politische Verfolgung und Flucht gehören zu den Erfahrungen der Kurden, wenngleich Ulukaya selbst privilegiert zum Studium nach New York kam. Doch das Schicksal der vielen Menschen, die aus dem Krieg in Syrien in die Türkei flüchten, lässt ihn nicht kalt.

Ulukaya hat Möglichkeiten zu helfen. Das Wirtschaftsmagazin Forbes stufte ihn 2014 als Milliardär ein. Er hatte das Geschick und Glück, in den USA die Firma Chobani aufzubauen, die mit der Produktion von Joghurt nach „griechischer Art“ groß und reich geworden ist. Beim Weltwirtschaftsforum in Davos, das an diesem Mittwoch beginnt, startet Ulukaya nun eine Hilfsinitiative.

Er ruft seine Unternehmer-Kollegen auf, bei der von ihm gegründeten Tent Foundation mitzumachen. Sie sollen sich verpflichten, irgendetwas zu tun, um die Lage von Flüchtlingen zu verbessern – Zelte finanzieren, die Wasserversorgung in Lagern verbessern, dort Internetzugänge einrichten oder auch Flüchtlinge in ihren Unternehmen als Arbeitskräfte einstellen. Einige Firmen wie Ikea, Airbnb, Linkedin oder Mastercard haben bereits zugesagt.

Vermutlich bleibt diese Initiative kein unbedeutendes Seitenevent beim diesjährigen Weltwirtschaftsforum (WEF), zu dem etwa 2.500 Spitzenmanager, Politiker, Regierungschefs, Lobbyisten und Wissenschaftler erwartet werden. Der traditionelle Kongress in dem Schweizer Bergort steht dieses Jahr zwar unter dem offiziellen Motto „vierte industrielle Revolution“. Einiges deutet jedoch darauf hin, dass die Fluchtbewegungen nach Europa eine große Rolle spielen werden.

Auch Brown und Gauck reden über Flüchtlinge

Denn der Joghurt-Unternehmer ist nicht der einzige, der Hilfe verspricht. Gordon Brown, früher britischer Premier, jetzt Sonderbotschafter der Vereinten Nationen für Bildung, macht sich in Davos dafür stark, noch in diesem Jahr eine Million zusätzliche Schulplätze für syrische Kinder zu schaffen, die in die Nachbarländer geflohen sind.

Auch die Terminierung der Rede von Bundespräsident Joachim Gauck ist ein Zeichen für den Stellenwert, die die Organisatoren dem Thema beimessen. Gauck wird über Flucht und Migration sprechen – und zwar gleich am Vormittag des Eröffnungstages. Die Herausforderungen, die die Auswanderung von Millionen Menschen mit sich bringe, seien „viel größer, als wir sehen und sehen wollen“, sagt auch Christine Lagarde, die französische Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF). Lagarde hält es für möglich, dass 2016 ähnlich viele Menschen nach Europa kommen wie 2015.

Dann stellen sich die heute drängenden Fragen noch viel dringlicher: Welche Staaten nehmen die Neuankömmlinge auf, wer bezahlt das, wie lässt sich die Zuwanderung wieder auf ein leichter zu handhabendes Maß verringern? Um eine bessere internationale Zahlenbasis für die Antworten zu liefern, will Lagarde in Davos eine neue IWF-Studie über Kosten und Nutzen von Migranten und deren Einfluss auf die Volkswirtschaft vorstellen.

Wirtschaftliche Folgen der Migration

Derweil ist unter Ökonomen eine Debatte über die wirtschaftlichen Effekte von Einwanderung im Gange. Einerseits bestehe ein weitgehender Konsens unter Wirtschaftsforschern, dass starke Zuwanderung nicht zu niedrigeren Löhnen oder höherer Arbeitslosigkeit unter den Einheimischen führe, sagt Mikkel Barslund vom Zentrum für Europäische Politikstudien in Brüssel.

Dissens allerdings herrscht über die Folgen für die Sozialsysteme. Barslund ist hier skeptisch: Er betrachtet Zuwanderer in dieser Hinsicht eher als Belastung. Reint Gropp, der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle, vertritt die optimistischere Position: Die Neuankömmlinge könnten die einheimischen Beschäftigten ersetzen, die Deutschland durch den Alterungsprozess der Gesellschaft verliere, und mit ihren Beiträgen für die Finanzstabilität der Sozialsysteme sorgen.

Überflüssige Fabriken

Bei seinem eigentlichen Hauptthema, der „vierten industriellen Revolution“, verfolgt das WEF einen umfassenden Anspruch. Man will verstehen, wie die Digitalisierung unser Leben in den kommenden Jahrzehnten verändern könnte. Wollen wir 150 Jahre leben, weil die Medizintechnik es möglich macht? Wie viele Arbeitsplätze verschwinden durch neue Produktionsverfahren? In Davos werden zahlreiche Unternehmer erläutern, wie sich die Technik des 3-D-Drucks möglicherweise entwickelt. Ganze Fabriken könnten überflüssig werden, wenn die Verbraucher bestimmte Güter zu Hause mittels der neuen Drucker selbst produzieren.

Neben diesen Themen wird es in Davos um die übrigen, auch nicht kleinen Probleme der Welt gehen. Nach der Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran kommt es vielleicht zu Gesprächen, die eine gewisse Bewegung in der Syrien-Frage bringen. Was ist als Nächstes gegen den Islamischen Staat zu tun? Wie verändert sich der globale Markt für fossile Energien, kann China die Turbulenzen an seinen Börsen bewältigen? Fragen gibt es genug.

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