piwik no script img

Die Hoffnung in der Warteschleife

Asylverfahren Die neue Registrierungsstelle in der Bundesallee sollte die Lage am Lageso verbessern. Die Flüchtlinge sollten dort nicht mehr tagelang warten müssen, ihre Verfahren sollten beschleunigt werden. Eine Bilanz drei Monate nach der Eröffnung

von Susanne Memarnia und Uta Schleiermacher

Die neue Außenstelle des Landesamts für Gesundheit und Soziales (Lageso) in der Bundesallee hat bislang nicht wesentlich zur Verbesserung der Lage für Flüchtlinge beigetragen. Drei Monate nach Eröffnung der bundesweit als „Berliner Modell“ gepriesenen Einrichtung, in der Lageso, das Bundesamt für Migration (BAMF), Jobcenter und Ausländerbehörde zusammenarbeiten, sind zwei zentrale Versprechen, die Sozialsenator Mario Czaja (CDU) im Oktober gab, noch immer nicht erfüllt.

Er wollte erstens die „humanitäre Lage am Lageso entschieden verbessern“. Doch die Zustände am Lageso-Haupt­standort Turmstraße sind weiter katastrophal – noch immer warten dort täglich Hunderte Menschen stunden- und tagelang, oft vergeblich, obwohl sie einen Termin beim Amt haben. Zweitens wollte Czaja die Verfahren beschleunigen, damit die Menschen schneller an die ihnen zustehenden Leistungen kommen. Auch dies ist bisher nicht gelungen, denn wer registriert ist, muss wiederum zur Turmstraße, um seine Leistungen abzuholen. Je mehr Menschen in den beiden derzeitigen Registrierungsstellen in der Bundesallee und in der Kruppstraße registriert werden, desto mehr kommen auch wieder zur Turmstraße.

1. Asylverfahren

Auch die Asylverfahren selbst gehen nicht so schnell wie versprochen: Bislang wurden in der Bundesallee nur 5.200 Anträge angenommen, im gleichen Zeitraum aber rund 14.800 Menschen registriert. Durch die Zusammenarbeit von Landes- und Bundesbehörden sollten Flüchtlinge direkt nach der Registrierung dort auch den Antrag auf Asyl stellen können, hieß es. Doch offensichtlich klappt das in knapp einem Drittel der Fälle nicht. Von den gestellten Anträgen sind bisher nur rund 1.100 entschieden. In 746 Fällen gewährte das BAMF Asyl, 382 Anträge lehnte es ab. Alle anderen Flüchtlinge müssen nun weiterhin auf ihren Termin beim BAMF in Spandau warten. Dies dauert mehrere Monate.

Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge

Rund 8.000 Kinder leben derzeit in Berliner Notunterkünften. Eigentlich sollten sie mit ihren Familien in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden, wo die Bedingungen etwas besser sind, doch es gibt derzeit nicht genug Plätze.

In den vier Hangars auf dem ehemaligen Tempelhofer Flughafen leben viele Kinder. Insgesamt sind 2.500 Menschen dort untergebracht. Die Hangars würden weiterhin als Notunterkunft gebraucht, betonte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) zum Auftakt des Runden Tischs zur Versorgung von Flüchtlingen am Montagabend, inzwischen seien auch Spielmöglichkeiten für Kinder geschaffen worden. Der Flüchtlingsrat hielt dagegen, dass die Menschen dort dauerhaft leben müssten, bisher gäbe es keine Fluktuation.

Der Eröffnungstermin des geplanten Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten bleibt weiter unklar. Die Behörde soll das Lageso ablösen. Sozialsenator Mario Czaja (CDU) wollte sich im Sozialausschuss des Abgeordnetenhauses nicht auf einen Zeitplan festlegen. Auch wo die Behörde angesiedelt sein wird, ließ er offen, für Ende Januar kündigte er "wesentliche Zwischenergebnisse" an. (taz)

Zu den angekündigten Verfahren innerhalb von einem Tag kam es erst gar nicht: Ab dem 21. Oktober, wenige Tage nach Eröffnung der Bundesallee, musste auch für syrische Flüchtlinge wieder geprüft werden, ob sie bereits in einem anderen EU-Land registriert wurden. Allein diese Abfrage dauert zwei bis drei Tage, Eintagesverfahren sind wegen der Bun­desgesetzgebung nicht zu leisten.

2. Registrierung

Mehrere tausend Flüchtlinge in Berlin sind bisher nicht registriert – die Senatsverwaltung schätzt, dass es 3.000 bis 5.000 Menschen sind. Ohne Registrierung bekommen sie weder Taschengeld noch Krankenscheine. Im Oktober hatte Czaja noch angekündigt, dass seine Behörden ab Januar insgesamt 1.000 Fälle am Tag schaffen sollten. Damit hoffte er, die täglich in Berlin neu ankommenden Flüchtlinge direkt registrieren zu können und gleichzeitig den Rückstau der Flüchtlinge, die unregistriert in den Berliner Notunterkünften leben, zügig zu bearbeiten. Die Flüchtlinge werden mit Bussen zu den Registrierungsstellen gefahren. Die Heimbetreiber wissen oft selbst nicht, wann die bei ihnen lebenden Menschen registriert werden.

3. Arbeitsvermittlung

Berliner Modell? Inzwischen stehen viele wieder ander Turmstraße an

Auch das Jobcenter ist in der Bundesallee vertreten, um Flüchtlinge, die erfolgreich ihren Asylantrag gestellt haben, direkt zu beraten und ihnen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern. Diese Beratungen werden allerdings bisher kaum in Anspruch genommen – sie lohnen sich nur für Menschen mit „positiven Entscheidungen und hoher Bleibewahrscheinlichkeit“. Nach Aussage der Bundesagentur für Arbeit ist nur ein Mitarbeiter in der Bundesallee. Sie wären in der Lage, mehr Mitarbeiter heranzuziehen, doch da das BAMF dort viele Asylanträge ablehne, reicht diese Besetzung bisher aus. Für die meisten Flüchtlinge geht es eh erst mal darum, einen Sprachkurs zu finden.

4. Zurück zur Turmstraße

Am alten Standpunkt des Lageso in der Turmstraße werden seit Ende 2015 keine Flüchtlinge mehr registriert. Doch bisher wird nur bei der Zentralen Leistungsstelle für Asylsuchende (ZLA) an der Turmstraße Geld ausgezahlt. Registrierte Asylsuchende müssen dort regelmäßig vorsprechen, für ihr Geld, ihre Krankenscheine oder eine Verlängerung für ihre Unterkunft. Durch die Registrierung in der Bundesallee waren die Flüchtlinge im Stadtbild weniger sichtbar, denn sie warteten in den Unterkünften, nicht mehr in der Turmstraße. Die Leistungsstelle befindet sich in einem Container weit hinten auf dem Gelände an der Turmstraße, ebenfalls etwas versteckt. Inzwischen stehen auch dort wieder viele Menschen an.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen