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„Freie Medien – freies Polen“

POLEN Zehntausende gehen in Warschau und vielen anderen Städten auf die Straße.Die Regierungspartei PiS stört das weniger als die zunehmende Kritik aus der EU

Gabriele Lesser

Gabriele Lesser

Die vielen EU-Flaggen auf den Freiheitsdemonstrationen in ganz Polen sind ein Appell an die Politiker in Brüssel und Straßburg: „Helft uns“. Und so wehen die EU-Fahnen auch am Samstag wieder auf dem Platz der Aufständischen in Warschau. Tausende Polen skandieren „Freie Medien – freies Polen“, rufen „Freiheit, Freiheit“ und tröten in ihre mitgebrachten Vuvuzelas. Es ist ein ohrenbetäubender Lärm.

Die Bürgerrechtsbewegung „Komitee zur Verteidigung der Demokratie“ (KOD) organisierte die Demonstrationen in ganz Polen gegen das neue Mediengesetz, das den öffentlich-rechtlichen Rundfunk direkter Regierungskontrolle unterstellt. Trotz eisiger Kälte demonstrierten nicht nur in Warschau zwischen 10.000 und 20.000 Polen gegen die befürchtete Parteipropaganda in Radio und Fernsehen. Auch in 18 weiteren Städten gingen Tausende auf die Straße, schwangen polnische und EU-Flaggen und forderten lautstark „freie Medien“.

Dem „kleinen Mediengesetz“, mit dem bereits das gesamte Führungspersonal von Fernsehen und Rundfunk ausgetauscht werden konnte, soll demnächst das „große Mediengesetz“ folgen, das den bisher als Handelsgesellschaft organisierten öffentlichen Rundfunk in mehrere „nationale Kulturinstitute“ umgestalten soll. Die Folge wird sein, dass nicht nur die Chefs von Radio und Fernsehen direkt vom Schatzminister ernannt werden, sondern auch alle Journalisten entlassen und – nach einer „Verifikation“ – entweder neu eingestellt werden oder aber demnächst auf der Straße stehen und zusehen müssen, wo sie unterkommen.

Noch ist die Protestbewegung schwach. Die Rednertribüne ist viel zu niedrig, die Lautsprecher sind schlecht aufgestellt, sodass die begeisterten Demonstranten auch während der Ansprachen vor dem Gebäude des Fernsehsenders TVP Info ständig in ihre Vuvuzelas blasen.

Doch Ewa Wanat, die einstige Chefredakteurin des öffentlich-rechtlichen Radios RDC, ist sich im Klaren, dass „wir nur ein Zeichen setzen und uns gegenseitig unserer Solidarität versichern können“. Jarosław Kaczyński, den Parteivorsitzenden der rechtsnationalen Recht und Gerechtigkeit (PiS), der seit den Wahlen im Oktober 2015 den Regierungskurs in Polen bestimmt, werden die Proteste nicht beeindrucken. Im Gegenteil, die Anti-Regierungs-Demonstrationen sind für ihn ein „Beispiel für die gut funktionierende Demokratie in Polen“.

Beide Seiten werfen sich vor, mit Putin unter einer Deckezu stecken

Unangenehm für die mit absoluter Mehrheit im Parlament regierende PiS sind weniger die Proteste im eigenen Land, sondern die Mahnungen aus der EU und der UNO. Als EU-Parlamentspräsident Martin Schulz nun in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung Polens Regierung erneut vorwarf, gegen demokratische Grundsätze zu verstoßen, protestierte sogleich eine ganz Phalanx PiS-treuer Journalisten, die auf neue Jobs im Staatsrundfunk hoffen. „Die polnische Regierung“, so Schulz im FAS-Interview, „betrachtet ihren Wahlsieg als Mandat, das Wohl des Staates dem Willen der siegreichen Partei unterzuordnen, inhaltlich und personell.“ Dies sei eine „gelenkte Demokratie nach Putins Art, eine gefährliche Putinisierung der europäischen Politik“.

Zwar ist das in Polens politischer Landschaft kein neues Argument, werfen sich doch hier Regierung wie Regierungsgegner gleichermaßen vor, mit Putin unter einer Decke zu stecken, alte Bolschewisten oder linke Vaterlandsverräter zu sein. Doch wenn ein Ausländer so etwas sagt, noch dazu ein EU-Politiker, müssen sich Polens Politiker damit auseinandersetzen. Auch die EU-Flaggen auf Polens Straßen werden weiter wehen.

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