: Plötzlich kreativ sein geht nicht
Kommentar
von Stefan Alberti
Hilfe für Flüchtlinge
Flexibel, kreativ, nicht in engem Denken verharren. Das ist die Richtung, die vor allem Regierungschef Michael Müller vorgegeben hat, um Flüchtlingen schneller und besser helfen zu können. Das klingt gut, das klingt dynamisch, nach Alte-Zöpfe-Abschneiden. Es mag ja auch gut gemeint sein. Aber es ist auch Show.
Denn Müller ist lange genug im Berliner Politikbetrieb auf allen Ebenen unterwegs, um genau zu wissen, dass sich solch eine Richtung nicht einfach vorgeben lässt. Eine öffentliche Verwaltung ist nun mal keine Kreativwerkstatt, und das ist auch meist gut so. Behördenmitarbeiter sind seit je dazu ausgebildet und angehalten, Vorschriften und Gesetze einheitlich anzuwenden. Vorschriften und Gesetze, die dem Grundgedanken nach das Ergebnis langer Überlegungen von Senatsverwaltungen und Parlamentariern und sinnvoll sind.
Sie nach Gusto auszulegen ist grundsätzlich nicht im Sinne des Erfinders – jeder Bürger hat schließlich Anspruch auf gleiche Behandlung. Und Brandschutzregeln, die aktuell in Charlottenburg die Flüchtlingsunterbringung in einem Jugendclub verhindern, sind ja nicht als Gängelei gedacht.
Dass dieselben Mitarbeiter, die jahrelang nach diesen Vorschriften arbeiteten, nun – schnipp – geschmeidiger mit ihnen umgehen sollen, kann überfordern. Was fehlt, ist, parallel zur Forderung nach Kreativität zuzusichern, dass diese Mitarbeiter nicht die Dummen sind, wenn beim Kreativen etwas schiefläuft. Wenn der Behörde etwa Geld verloren geht, das ein Mitarbeiter gutmeinend, aber voreilig ausgezahlt hat. Oder wenn doch mal ein Brand in einer Unterkunft ausbricht, die zwar dringend nötig ist, die aber strengen Brandschutzvorschriften nicht entspricht.
Es ist natürlich ein Balanceakt. Denn Mitarbeiter von jeder Verantwortung für ihre Handlungen freizusprechen kann auch in verantwortungsloses Handeln münden. Und doch ist klar: Kreativität bedingt auch Fehlertoleranz – eins ohne das andere geht nicht.
Bericht
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