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Das Gespenst aus der Kindheit

Film Alle jungen Leute sind traurig und wissen nicht, wohin. „Neukölln Wind“, der erste lange Spielfilm von Arsenny Rapoport, läuft im IL Kino an – in Neukölln natürlich

Zunächst handelt „Neukölln Wind“, der erste lange Spielfilm von Arsenny Rapoport (32), recht typisch von Gentrifizierung. Kalle, ein junger Makler, spricht mit einem Interessenten über ein lohnendes großes Objekt, das verlassene Frauenklinikum am Marienfelder Weg. Die verfallenen Teile ließen sich zu Wohnungen ausbauen, in die man Künstler einquartieren könnte. Und wenn die dann weg sind, könnten dort „hochwertige Apartmentwohnungen“ entstehen. Der Interessent ist nicht so begeistert und würde das Gebäude am liebsten abreißen. Zur Einigung kommt es nicht.

Oft assoziativ und melan­cholisch gestimmt, erzählt „Neukölln Wind“ eine ungefähre Geschichte: von Kalle, der in dem gerade besichtigten Haus aufgewachsen und mit seiner Familie entmietet worden war. Und von seinem Alter Ego und Freund Frederik, der vor 12 Jahren verstarb, aber immer wieder als Obdachloser oder eine Art alternativer Stadtführer auftaucht, der Touristen, die sich verlaufen haben, die Orte seiner Kindheit zeigen möchte.

Ein anderer Maklerkollege taucht auf mit seiner Frau, einer Fotografin. Er findet es peinlich, dass seine Frau kifft, sie ruft empört: „Du bist genauso peinlich, du verkaufst Häuser mit Menschen drin.“ Und Schmitti (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Autor Jochen Schmidt), ein inzwischen verstorbener Obdachloser, der seine Sommer auf einer Bank am Boddinplatz und die Winter in Gefängnissen zu verbringen pflegte, hat einen Soloauftritt.

Eine drogensüchtige Streunerin zieht durch die Nacht. In einer Bar will sie einen Löffel klauen, um ihr Heroin zu bereiten. Später, vor der Bar, in der man nicht rauchen darf, trifft sie eine andere Frau, die wie Cindy Ecstasy, die Heldin aus dem Lied „Memorabilia“ von Soft Cell, ihr MDMA gegen das Heroin der Streunerin tauscht, weil Heroin böse ist.

Etwa eine halbe Stunde lang gibt es nun notgedrungen – und vielleicht auch typisch für aktuelle Berlin-Filme –, Bilder einer Berliner Drogennacht in diversen Kellerbars. Verschiedene Charaktere haben in Unterführungen Kurzauftritte, eine Liebesgeschichte beginnt zwischen der Streunerin und ihrer neuen Freundin, und beide heißen Anna, wenn ich es richtig verstanden habe. Die eine Anna möchte allein sein, die andere Anna geht zurück zu ihrem Mann.

Alle jungen Leute sind traurig und wissen nicht, wohin. Manchmal freut man sich da­rüber, dass der Film nicht so geradlinig erzählt ist, manchmal verliert man den Faden. Manchmal freut man sich über Längen oder suhlt sich in der teils elegischen Musik. Und manchmal hat man das Gefühl, dass der Regisseur wohl nicht so viel zu erzählen hat. Manches – gerade die Makler – kommt einem ausgedacht vor.

Neukölln besteht hier aus tendenziell depressiven jungen Kreativen, Obdachlosen, Drogensüchtigen und Maklern. „Normalbevölkerung“ gibt es kaum. Es ist ein Neukölln-Film ohne Karl-Marx-Straße oder Sonnenallee, aber trotzdem recht schön. Es passt, dass er im IL Kino in der Nansenstraße zu sehen ist. Detlef Kuhlbrodt

Termine unter ilkino.de/movie-program

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