Frische U-Bahn-Züge für drei Milliarden Euro

Verkehr Senat und BVG unterzeichnen "Letter of Intent": Es geht um einen Vertrag und viel Geld

„Heute ist ein historischer Tag, und deshalb stehen wir hier vor einem historischen Fahrzeug“, sagt BVG-Chefin Sigrid Evelyn Nikutta. Sie muss es trotz Mikrofon laut sagen, denn das Fahrzeug ist eine restaurierte U-Bahn der C-Reihe und steht im Bahnhof Alexanderplatz der U 5. Der Betrieb läuft daneben weiter, aber allzu viele Fahrgäste interessieren sich nicht für das Ereignis, dass Nikutta ankündigt: Mit den Senatoren für Stadtentwicklung und Finanzen, Andreas Geisel und Matthias Kollatz-Ahnen (beide SPD) wird sie wenig später einen „Letter of Intent“ unterzeichnen – eine Absichtserklärung, die die weitere Zusammenarbeit bis 2035 sicherstellen soll.

Der Deal sieht so aus: Das Land verpflichtet sich jetzt schon, im Jahr 2020 einen neuen Verkehrsvertrag mit der BVG für weitere 15 Jahre abzuschließen, sprich: die Beförderungsleistungen der Verkehrsbetriebe zu kaufen. Der aktuelle Vertrag endet 2019. Die BVG wird im Gegenzug tun, was sie am besten kann, und davon sogar noch mehr: Bis 2035 werden die U-Bahnen, Trams und Busse jährlich rund 140 Millionen Kilometer zurücklegen, 8 Prozent mehr als heute. „In der wachsenden Stadt brauchen wir auch ein wachsendes Nahverkehrsangebot“, bekräftigt Andreas Geisel.

Das gegenseitige Versprechen gibt also beiden Seiten Sicherheit. Der Clou ist aber die Gründung einer BVG-Tochter zur Anschaffung neuer Schienenfahrzeuge: Das Durchschnittsalter der U-Bahn-Züge bewegt sich auf die 30 Jahre zu – höchste Zeit, in neue zu investieren. Die „Fahrzeugfinanzierungsgesellschaft“ gibt es seit dem 1. Januar, sie kann Kredite am Kapitalmarkt aufnehmen, die dann vom Land bedient werden. Rund 3 Milliarden Euro sollen so bis 2035 eingesetzt werden.

Angesichts dieser Zahlen wird Andreas Geisels Herz ganz weich: „Du bist ein Finanzsenator, der Entwicklungen möglich macht“, ruft er Kollatz-Ahnen zu, „dafür bin ich dir ganz besonders dankbar.“ Allerdings hat der Kassenwächter des Senats durchaus seine Handschrift im „Letter of Intent“ hinterlassen. Der Eigenfinanzierungsgrad der BVG – also der Anteil an den Gesamteinnahmen, den sie durch den Ticketverkauf selbst erwirtschaftet – soll von 57 auf 62 Prozent steigen.

Und wie soll das funktionieren? Stadtentwicklungssenator Geisel erklärt: indem die Verkehrsbetriebe weiter wachsen und noch mehr Menschen befördern. Da haben manche ihre Zweifel. Grünen-Verkehrs­experte Stefan Gelbhaar findet, dass sich der Senat in dieser Frage einen „schlanken Fuß macht“: „Weitere erhebliche Preiserhöhungen sind zu befürchten.“ Claudius Prößer